Geoengineering: Algenblüten entsorgen erfolgreich Kohlendioxid
Algen sollen als wichtige Helfer der Menschheit im Kampf gegen eine übermäßige Aufheizung der Erde beistehen – indem sie durch Massenblüten im Meer der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen und dann langfristig in der Tiefsee einlagern. So muss man sich theoretisch diese Option des so genannten Geoengineering vorstellen. Welche praktischen Ergebnisse und Schwierigkeiten auf dem Weg dahin lauern, belegen nun erste gesicherte Ergebnisse von Victor Smetacek vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven und seinen Kollegen.
Im Rahmen ihres EIFEX genannten Eisendüngungsprojekts in einem Ozeanwirbel des Antarktischen Zirkumpolarstroms brachten sie 2004 zwei Mal je sieben Tonnen Eisensulfat aus, um damit eine Massenvermehrung des Planktons auszulösen: Eisen ist ein Mangelfaktor in den meisten Meeresgebieten, aber gleichzeitig auch ein essenzielles Nährelement für die Algen, das sie unter anderem für die Fotosynthese benötigen. Entsprechende Gaben fördern daher das Wachstum der pflanzlichen Organismen. Tatsächlich entwickelte sich in den folgenden fünf Wochen eine starke Blüte, die bis in 100 Meter Tiefe reichte – und damit tiefer als bislang angenommen. Teilweise maßen die Forscher Spitzenwerte von bis zu 286 Milligramm Chlorophyll pro Quadratmeter, was alle anderen Düngungsexperimente deutlich übertraf. Innerhalb von nur 24 Tagen hatte sich die Biomasse vor Ort verdoppelt.
Am Ende des Beobachtungszeitraums starben die Algen massenhaft ab; mehr als die Hälfte der vorübergehenden Blüte sank bis in mindestens 1000 Meter Tiefe und verschwand damit aus der Nachweisreichweite der Wissenschaftler. "Dies deutet darauf hin, dass ein Teil des Kohlenstoffs der Algenblüte über Zeitskalen von mehr als 100 Jahren im tiefen Ozean und in den Sedimenten am Meeresboden gespeichert werden kann", meint Smetacek. Damit verlief EIFEX deutlich erfolgreicher als der 2009 ebenfalls von AWI-Mitarbeitern durchgeführte LOHAFEX-Test: Damals reagierte auch das Zooplankton mit einer Massenvermehrung auf die plötzliche Nahrungsfülle und fraß den Überschuss rasch wieder auf, so dass das zusätzlich gebundene Kohlendioxid bald wieder über die Atmung ausgeschieden wurde.
Im Gegensatz zu LOHAFEX profitierten im EIFEX-Versuch 2004 vor allem Kieselalgen – auch Diatomeen genannt – von der Eisengabe: Ihre harte Schale schützt sie relativ gut gegen Fressfeinde. Wenn ihre Blüte endet, klumpen sie sich zudem zu schleimigen Aggregaten zusammen, die schneller in die Tiefsee absinken und sich deshalb langsamer zersetzen. Sie benötigen allerdings im Wasser gelöstes Silikat, um ihre Schalen zu bilden; fehlt dieses, verhindert das auch ihre Massenvermehrung. Der Test 2009 fand in einer Region statt, in der Silikatmangel herrscht – wie in rund drei Viertel aller Ozeane. Das schränkt die Möglichkeiten für künstlich ausgelöste Algenblüten stark ein.
Insgesamt glich Smetaceks Experiment natürlichen Planktonvermehrungen, die im Umkreis von subantarktischen Inseln immer wieder auftreten: Dort setzen gestrandete, schmelzende Eisberge bisweilen größere Eisenmengen frei und regen damit die Planktonproduktion an. Zudem simulieren die Freilandexperimente die Bedingungen der letzten Eiszeit. Damals wurden per Windferntransport größere Mengen eisenhaltigen Staubs in die Ozeane eingetragen.
Projekte wie LOHAFEX oder EIFEX sind jedoch sehr umstritten – zumindest politisch: 2009 wollte das Bundesumweltministerium unter Leitung von Sigmar Gabriel – erfolglos – den Düngungsversuch durch das AWI untersagen. Umweltverbände kritisieren ebenfalls den künstlichen Eiseneintrag, der allerdings auf natürlichen Vorbilder beruht, die regelmäßig vorkommen. Angesichts dieser Kontroversen verzögerte sich auch die Bekanntgabe der Daten aus dem Jahr 2004, so Smetacek: "Die Kontroverse über Eisendüngungsexperimente hat dazu geführt, dass unsere Ergebnisse vor ihrer Veröffentlichung sehr sorgfältig begutachtet wurden."
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