News: Alles hat seine Zeit
Ohne Zeitgefühl wären solche Alltagssituationen nicht zu bewältigen. In Zeitintervallen zwischen 30 Millisekunden und 10 Sekunden fällt unser Gehirn ständig Entscheidungen über unser Verhalten. Doch wo sitzt der Zeitsinn? Das fragten sich Stephen Rao, Andrew Mayer und Deborah Harrington vom Medical College of Wisconsin. Sie nutzen die Technik der Magnetresonanz-Spektroskopie (fMRI), mit der sie sekundenweise die Veränderungen von Hirnaktivitäten aufzeichnen konnten. Ihre 17 Versuchspersonen hörten im Abstand von 1200 Millisekunden zwei 50 Millisekunden lange Töne. Nach einer Pause von einer Sekunde folgte ein zweites Tonpaar. Die Versuchspersonen sollten abschätzen, ob die Unterbrechung im zweiten Tonpaar länger oder kürzer als im ersten war.
Da sich die Wissenschaftler nur für die Wahrnehmung der Zeit und nicht der Tonhöhe interessierten, folgte ein Kontrollexperiment, bei dem die Versuchspersonen entscheiden sollten, ob der vierte Ton höher oder tiefer als die anderen war. So konnten die Forscher in ihren fMRI-Bildern erkennen, welche Hirnregionen bei welchen Aufgaben arbeiteten.
Es zeigte sich, dass bei der Zeitwahrnehmung zwei Areale des Großhirns aktiv waren: die tief in der weißen Substanz des Großhirns liegenden Basalganglien und der rechte Parietallappen der Großhirnrinde. Bisher vermuteten die Wissenschaftler den Zeitsinn im Kleinhirn. Es gab jedoch schon Hinweise auf den rechten Parietallappen, da Schlaganfallpatienten, deren rechte Hirnhälfte geschädigt ist, Schwierigkeiten mit der Zeitwahrnehmung haben. Bei Schädigungen auf der linken Seite treten diese Störungen nicht auf.
Die Basalganglien hatten die Wissenschaftler schon länger im Verdacht, denn hier liegen wichtige Steuerzentren der motorischen Koordination. Sind diese Hirnareale defekt, wie das beispielsweise bei der Parkinson-Krankheit der Fall ist, dann versagt nicht nur die Motorik, sondern auch die Zeitwahrnehmung ist gestört. Erhalten diese Patienten Dopamin, den Neurotransmitter der Basalganglien, dann können die Symptome teilweise behoben werden. Auch andere Krankheiten wie der so genannte Veitstanz (Chorea Huntingon) oder das Hyperaktivitätssyndrom werden durch Fehlfunktionen der Basalganglien ausgelöst. "Wir sind begeistert, dass unsere Ergebnisse auch für ein besseres Verständnis einiger neurologischer Krankheiten angewendet werden können", erzählt Rao. "Durch die Identifizierung der Hirnareale, die unseren Zeitsinn bestimmen, können Wissenschaftler jetzt die gestörte Zeitwahrnehmung untersuchen, die bei Patienten mit Parkinson-Krankheit oder Hyperaktivitätssyndrom beobachtet wurden."
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.