News: Alles unter Kontrolle
Jane M. Richards und James J. Gross von der Stanford University fragten sich, ob sich diese unterschiedlichen Taktiken in irgendeiner Weise darauf auswirken, welche Erinnerungen die Betroffenen an die negativen Erlebnisse speichern. Außerdem wollten sie klären, ob die Konsequenzen für alle Formen der Gefühlskontrolle dieselben sind, falls diese tatsächlich die Wahrnehmung beeinflussen sollten. Unter anderem gingen die Wissenschaftler davon aus, dass Kontrollmechanismen, die vor dem eigentlichen Ereignis ansetzen, andere Ansprüche an die Wahrnehmung stellen als Strategien, die während der negativen Erfahrung angewendet werden. Denn ihrer Ansicht nach sollte beispielsweise die Unterdrückung jeglicher Gefühlsregung eine ständige Selbstüberwachung erfordern, die aber gleichzeitig Ressourcen für die Wahrnehmung der Situation beansprucht. Das könnte letztendlich dazu führen, dass sich die Betroffenen hinterher nicht mehr so genau an das Erlebnis erinnern wie Menschen, die ihren Empfindungen unkontrolliert freien Lauf lassen.
Anhand verschiedener Experimente versuchten die Forscher, diese Fragen zu klären. Im ersten Versuch spielten sie einer Gruppe von 53 Freiwilligen einen Ausschnitt aus einem aktuellen Film vor, in dem sich ein Paar über die außereheliche Liebesaffäre des Mannes streitet, während die Tochter im Zimmer ist. Die Wissenschaftler baten etwa die Hälfte der Zuschauer, während der Vorführung ihre Gefühlsäußerungen vollständig zu unterdrücken. Der Kontrollgruppe hingegen sagten sie nur, dass sie den Film aufmerksam verfolgen sollten.
Die Ergebnisse bestätigten die Annahme der Forscher, dass eine ausgeprägte Selbstkontrolle das Erinnerungsvermögen beeinflusst, denn die entsprechenden Versuchspersonen konnten sich deutlich schlechter an die Handlung des Filmausschnitts erinnern als die Angehörigen der Kontrollgruppe (Journal of Personality and Social Psychology vom September 2000).
Mit zwei weiteren Experimenten wollten Richards und Gross klären, welchen Einfluss die Stärke der Emotionen auf das Gedächtnis hat und ob es entscheidend ist, wenn sich die Personen vorher auf das Ereignis einstellen, indem sie beispielsweise distanzierter herangehen. Diesmal zeigten sie den Versuchsteilnehmern Dias von Verletzten. Wieder gab es eine Kontrollgruppe und eine Gruppe, die ihre Gefühlsregungen unterdrücken sollte. Als drittes sollten nun jedoch einige Probanden versuchen, die Bilder mit dem unbeteiligten Interesse eines Arztes zu betrachten, und damit eine so genannte "Neubewertung" (reappraisal) durchführen, wie Psychologen den Prozess bezeichnen.
Wie im ersten Versuch hatte die "Selbstkontrolle"-Gruppe die schlechteste Erinnerung – sofern es sich um mündliche Informationen handelte, die zu den Dias verlesen wurden. Zeigten die Forscher jedoch leicht unterschiedliche Versionen der Bilderserien nacheinander und die Beteiligten mussten sich entscheiden, welche zuerst kam, schnitt die Gruppe genauso gut ab wie die Kontrollpersonen. Dabei spielte es keine Rolle, wie schlimm die Aufnahmen und damit die geweckten Emotionen waren.
Die "Neubewertung" der Situation, vertreten durch die "Ärzte"-Gruppe, beeinträchtigte die Erinnerung hingegen nicht. Deren Angehörige waren sogar noch besser als die Kontrollteilnehmer in der Lage, die bildlichen Informationen wieder aufzurufen.
Um ihre Resultate auch außerhalb der Labors abzusichern, testeten Richards und Gross auch noch weitere Menschen "im wahren Leben". Passend zu den Versuchsergebnissen stellten sie fest, dass Menschen, die in ihrem Alltag häufig ihre Gefühle unterdrücken, sich weniger an emotionale Ereignisse in ihrem Leben erinnern als andere, die ihren Empfindungen freien Lauf lassen. Und auch hier zeigte sich, dass die Neubewertung einer Situation sich nicht negativ auf das Erinnerungsvermögen auswirkte.
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