Gifte: Altbewährtes neu verwertet
Wer sich für Gifte interessiert, kommt an Schlangen nicht vorbei: Die Vielfalt ihrer Toxine und deren Wirkungsweisen ist beeindruckend. Woher aber stammt dieser Reichtum - gab es ein Urtoxin? Oder nutzten die Tiere schlicht, was ihr Körper an verschiedenen Varianten anbot?
Joe Slowinski wusste, was ihn erwartete. Als der Schlangenforscher am 11. September 2001 in Myanmar von einer Giftnatter gebissen wurde und erste Symptome einsetzten, erklärte er seinem Team, was zu tun sei: Das Neurotoxin würde seinen Körper nach und nach lähmen, doch wenn sie ihn von Mund zu Mund beatmeten, könnte er es vielleicht überleben – 48 Stunden später wüssten alle mehr. Regen verhinderte die Landung eines Rettungshubschraubers, ein Gegengift war nicht verfügbar. Seine Mitarbeiter taten, was sie konnten. Er schaffte es nicht.
Schlangenbisse fordern jährlich Tausende Menschenleben. Dabei ist die Vielfalt ihrer Gifte ebenso beeindruckend wie die ihrer Arten: Achtzig Prozent der insgesamt knapp 3000 Spezies besitzen Gifte aus 24 Toxintypen. Die Giftdrüsen selbst entwickelten sich im Laufe der Evolution nur ein einziges Mal, und zwar vor etwa sechzig bis achtzig Millionen Jahren. Doch das Rezept erwies sich als so erfolgreich, dass in kürzester Zeit zahlreiche eigenständige Gifte mit unterschiedlichster Wirkung entstanden.
Woher aber stammen all diese Toxine? Handelt es sich um ehemalige Proteine des Speichels der Tiere, die durch kleine Veränderungen in der Bauanleitungen ihre tödliche Aufgabe erhielten? Oder gar um Neuerscheinungen im biochemischen Repertoire? Für Bryan Grieg Fry von der Universität Melbourne eine Frage, der er nun mit Labormethoden zu Leibe rückte: Er verglich die Aminosäuresequenzen der Toxine mit denen anderer Körperproteine und erstellte einen Giftstammbaum.
Für ihre Giftausstattung beschränkten sich Schlangen bei weitem nicht auf Proteine, die sich schon in der Mundgegend befanden – im Gegenteil: Nur 2 der 24 untersuchten Toxinvertreter haben entsprechende Gegenstücke in Speichelproteinen. 21 stammen aus den verschiedensten Geweben, vom Gehirn über die Augen, Lunge, Herz, Leber, Muskel bis hin zu den Geschlechtsorganen. Und dann gab es noch einen einzigen Ausreißer, der eine Neuentwicklung sein könnte: das Gift der Waglers Lanzenotter (Tropidolaemus wagleri) – in Frys Analysen fand sich kein Protein, das diesem Toxin ähnelte.
Insgesamt zeichnete sich unter den Giften ab, dass besonders Moleküle mit einem hohen Anteil von Cysteinen eingesetzt werden. Ihr Zentrum ist durch zahlreiche Querverbindungen zwischen diesen Aminosäuren vernetzt und bietet so einen stabilen Kern, an dessen Außengestaltung ohne große Gefahr des Funktionsverlustes gebastelt und modifiziert werden kann. Fehlt Proteinen eine solche innere Haltung, kann schon eine kleine Veränderung der äußeren Regionen hingegen das gesamte Konstrukt unbrauchbar machen.
Die beiden ehemaligen, nun giftigen Speichelproteine – ein CRISP (Cystein-rich secretory protein) und ein Kallikrein – sind eng verwandt mit Toxinen der Krustenechse (Heloderma suspectum) und der Skorpions-Krustenechse (Heloderma horridum). Auch sie nutzen also offenbar dieselben Substanzen, obwohl die Giftdrüsenentwicklung bei den Krustenechsen einen ganz anderen Weg ging als bei den Schlangen. Verwandte des CRISP-Toxins finden sich zudem bei Schnecken und Insekten, wobei sie hier aber anders wirken. Selbst Pflanzen nutzen CRISP ähnliche Proteine, um sich gegen Pilze zu schützen. Und auch über CRISP hinaus finden sich weitere Toxine, die nicht nur bei Schlangen, sondern in geringfügig anderer Form, aber häufig völlig veränderter Funktionsweise in anderen Tieren auftreten.
Eine vielfältige Herkunft und eine stabile Grundstruktur also begründeten den Erfolg jener Jagd- und Verteidigungsstrategie, die für viele – von Maus bis Mensch – tödlich enden kann. Eines aber sollte man dabei nie vergessen: Mediziner interessieren sich ebenfalls für die Toxine und vermuten zahlreiche potenzielle Anwendungsgebiete. Denn in der richtigen Dosis und Verabreichung können manche Toxine auch zu Lebensrettern werden.
Schlangenbisse fordern jährlich Tausende Menschenleben. Dabei ist die Vielfalt ihrer Gifte ebenso beeindruckend wie die ihrer Arten: Achtzig Prozent der insgesamt knapp 3000 Spezies besitzen Gifte aus 24 Toxintypen. Die Giftdrüsen selbst entwickelten sich im Laufe der Evolution nur ein einziges Mal, und zwar vor etwa sechzig bis achtzig Millionen Jahren. Doch das Rezept erwies sich als so erfolgreich, dass in kürzester Zeit zahlreiche eigenständige Gifte mit unterschiedlichster Wirkung entstanden.
Woher aber stammen all diese Toxine? Handelt es sich um ehemalige Proteine des Speichels der Tiere, die durch kleine Veränderungen in der Bauanleitungen ihre tödliche Aufgabe erhielten? Oder gar um Neuerscheinungen im biochemischen Repertoire? Für Bryan Grieg Fry von der Universität Melbourne eine Frage, der er nun mit Labormethoden zu Leibe rückte: Er verglich die Aminosäuresequenzen der Toxine mit denen anderer Körperproteine und erstellte einen Giftstammbaum.
Für ihre Giftausstattung beschränkten sich Schlangen bei weitem nicht auf Proteine, die sich schon in der Mundgegend befanden – im Gegenteil: Nur 2 der 24 untersuchten Toxinvertreter haben entsprechende Gegenstücke in Speichelproteinen. 21 stammen aus den verschiedensten Geweben, vom Gehirn über die Augen, Lunge, Herz, Leber, Muskel bis hin zu den Geschlechtsorganen. Und dann gab es noch einen einzigen Ausreißer, der eine Neuentwicklung sein könnte: das Gift der Waglers Lanzenotter (Tropidolaemus wagleri) – in Frys Analysen fand sich kein Protein, das diesem Toxin ähnelte.
Insgesamt zeichnete sich unter den Giften ab, dass besonders Moleküle mit einem hohen Anteil von Cysteinen eingesetzt werden. Ihr Zentrum ist durch zahlreiche Querverbindungen zwischen diesen Aminosäuren vernetzt und bietet so einen stabilen Kern, an dessen Außengestaltung ohne große Gefahr des Funktionsverlustes gebastelt und modifiziert werden kann. Fehlt Proteinen eine solche innere Haltung, kann schon eine kleine Veränderung der äußeren Regionen hingegen das gesamte Konstrukt unbrauchbar machen.
Die beiden ehemaligen, nun giftigen Speichelproteine – ein CRISP (Cystein-rich secretory protein) und ein Kallikrein – sind eng verwandt mit Toxinen der Krustenechse (Heloderma suspectum) und der Skorpions-Krustenechse (Heloderma horridum). Auch sie nutzen also offenbar dieselben Substanzen, obwohl die Giftdrüsenentwicklung bei den Krustenechsen einen ganz anderen Weg ging als bei den Schlangen. Verwandte des CRISP-Toxins finden sich zudem bei Schnecken und Insekten, wobei sie hier aber anders wirken. Selbst Pflanzen nutzen CRISP ähnliche Proteine, um sich gegen Pilze zu schützen. Und auch über CRISP hinaus finden sich weitere Toxine, die nicht nur bei Schlangen, sondern in geringfügig anderer Form, aber häufig völlig veränderter Funktionsweise in anderen Tieren auftreten.
Eine vielfältige Herkunft und eine stabile Grundstruktur also begründeten den Erfolg jener Jagd- und Verteidigungsstrategie, die für viele – von Maus bis Mensch – tödlich enden kann. Eines aber sollte man dabei nie vergessen: Mediziner interessieren sich ebenfalls für die Toxine und vermuten zahlreiche potenzielle Anwendungsgebiete. Denn in der richtigen Dosis und Verabreichung können manche Toxine auch zu Lebensrettern werden.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.