Paläobiologie: Alte Fotos enthüllen Identität eines Raubsauriers
Münchner Paläontologen haben eine neue Raubsaurierart entdeckt, die vor rund 95 Millionen Jahren auf dem Gebiet des heutigen Nordafrikas lebte. Ungewöhnlich daran: Den Fachleuten gelang die Entdeckung mit Hilfe von Archivfotos der Fossilien, die vor 1944 angefertigt worden waren. Die Dinosaurierfossilien selbst sind im zweiten Weltkrieg zerstört worden und existieren nicht mehr. Das Team berichtet über die Entdeckung in der Fachzeitschrift »PLOS ONE«.
Fossile Skelettteile des Raubsauriers waren 1914 während einer Expedition in der ägyptischen Bahariya-Oase ausgegraben worden. Der Münchner Paläontologe Ernst Stromer von Reichenbach (1871–1952) ordnete sie später der Gattung Carcharodontosaurus zu. Aufbewahrt wurden sie in der Alten Akademie in der Münchner Innenstadt.
1944 wurde das Gebäude bei einem alliierten Luftangriff getroffen und brannte aus, wobei die Dinosaurierfossilien vernichtet wurden. Lediglich Stromers Notizen dazu, Illustrationen der Knochen und einige wenige Fotos des Originalmaterials blieben erhalten.
Archivaufnahmen sorgen für Überraschung
Der Paläontologe Maximilian Kellermann von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München ist jetzt auf zuvor unbekannte Fotos der Überreste gestoßen. Die Bilder zeigen originale Skelettfragmente des Raubsauriers aus Ägypten – Teile des Schädels, der Wirbelsäule und der Hinterbeine – vor der Zerstörung. Gemeinsam mit dem Dinosaurierspezialisten Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie sowie der Raubsaurierforscherin Elena Cuesta von der LMU München hat Kellermann das Bildmaterial ausgewertet.
»Was wir auf den historischen Bildern sahen, hat uns alle überrascht. Das dort abgebildete ägyptische Raubsaurier-Skelett unterscheidet sich deutlich von neueren Carcharodontosaurus-Funden aus Marokko«, äußert Kellermann in einer Pressemitteilung. »Stromers ursprüngliche Zuordnung war somit inkorrekt. Wir identifizierten hier eine ganz andere, bisher unbekannte Raubsaurierart und gaben ihr den Namen Tameryraptor markgrafi.« Die Wortschöpfung bezieht sich auf die altägyptische Bezeichnung für Ägypten (»Tamery«) und ehrt Stromers Fossiliensammler Richard Markgraf, der die Dinosaurierreste ausgegraben hatte.
Den Untersuchungen zufolge war Tameryraptor markgrafi etwa zehn Meter lang und besaß ein markantes Nasenhorn. Er war wohl unter anderem mit einer Raubsauriergruppe aus Asien verwandt, den so genannten Metriacanthosauriern. »Vermutlich war die Dinosaurierfauna Nordafrikas deutlich vielfältiger, als wir das bislang angenommen haben. Diese Arbeit zeigt, dass es sich für Paläotologen auch lohnen kann, nicht nur in der Erde, sondern auch in alten Archiven zu graben«, sagt Rauhut.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.