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Altern: Warum die Leber schneller altert als der Darm

Eine Besonderheit bei der DNA-Reparatur erklärt, warum der Darm länger jung bleibt als die Leber. Wenn Zellen sich häufiger teilen, werden Erbgutfehler öfter korrigiert.
Ein junger und ein alter Mann essen Donuts.
Auch gesunde Ernährung kann nicht verhindern, dass der Zahn der Zeit am Körper nagt.

Alterung ist ein unaufhaltsamer Vorgang, den man mit Fassung tragen muss. Im Lauf der Zeit nimmt in unserem Körper die Zahl der Zellen zu, die sich nur selten oder gar nicht mehr teilen. Die Haut verliert ihre Straffheit und Organe arbeiten nicht mehr so gut wie bei jüngeren Menschen. Dahinter stecken unter anderem Schäden an der DNA, die sich mit der Zeit ansammeln. Doch der Prozess ist deutlich komplizierter als nur ein statistisches Anhäufen von Schäden. Denn unterschiedliche Organe altern mit verschiedenen Geschwindigkeiten – der Darm zum Beispiel langsamer als die Nieren. Woran das im Detail liegt, hat ein Team um Deborah Stroka und Daniel Candinas von der Universität Bern entschlüsselt. Wie die Fachleute in der Fachzeitschrift »Cell« berichten, sammeln sich Schäden in bestimmten DNA-Bereichen schneller an. So häufen Gewebe, in denen Zellen sich weniger vermehren, insgesamt schneller teilungsunfähige Zellen an.

Die Arbeitsgruppe untersuchte an Lebern von Mäusen, wie sich die Zellen teilen und welchen Einfluss Alter und Erbgutschäden darauf haben. Im erwachsenen Säugetier vermehren sich Leberzellen kaum – es sei denn, die Leber ist beschädigt und Teile des Organs müssen repariert werden. Das Forschungsteam entfernte darum jungen und alten Mäusen Teile der Leber, um die Vermehrung der sonst teilungsunfreudigen Zellen zu beobachten. Dabei stellte es fest, dass Zellen junger Mäuse ihre DNA für die Zellteilung problemlos verdoppeln konnten. Bei den alten Mäusen war das anders. Bei ihnen hatten sich Schäden in Bereichen des Erbguts angehäuft, die keine Bauanleitung für Proteine verschlüsseln und in denen normalerweise die Verdoppelung der DNA beginnt. Bei den alten Mäusen lösten die vielen Schäden in diesen Bereichen deshalb ein Alarmsystem aus, das die Zellteilung verhindert: Die geschädigten Zellen konnten sich nicht mehr vermehren.

Hintergrund des Effekts ist, wie Stroka und Candinas berichten, ein wichtiger Unterschied bei der Reparatur von Erbgutschäden. Umwelteinflüsse schädigen permanent die DNA. Deswegen haben Zellen Reparaturmechanismen, die DNA-Fehler korrigieren können. Dazu muss ein Fehler aber erst einmal auffallen, und das passiert nicht überall auf die gleiche Weise. In Bereichen, die die Bauanleitung für Proteine enthalten, fallen Fehler auf, sobald dieses Protein hergestellt wird. Dann wird die DNA gelesen und bei Bedarf repariert. Die so genannten nichtcodierenden Bereiche des Erbguts, die keine Proteine verschlüsseln, sondern regulatorische Funktion haben, werden jedoch nur repariert, wenn sich die Zelle teilt und dafür ihr Erbgut verdoppelt.

Das bedeutet: Teilen sich Zellen oft, wie beispielsweise in der Haut oder im Darm, werden auch die Fehler in den nichtcodierenden Regionen des Erbguts immer wieder beseitigt. In Organen mit wenig Zellteilungen dagegen sammeln sich Fehler in diesen Bereichen des Erbguts an. Dadurch steigt in solchen Geweben die Zahl der Zellen an, die das Alarmsystem an der Teilung hindert. Diese Zellen können ihre Funktion nicht mehr gut erfüllen, und ihre zunehmende Anzahl ist ein wichtiger Teil des Alterungsprozesses im Gewebe.

Der neu beschriebene Mechanismus legt aus Sicht der Fachleute nahe, dass sich bestimmte Aspekte des Alterns zumindest theoretisch vermindern lassen, wenn man einen Weg findet, die Schäden in den nichtcodierenden DNA-Regionen unabhängig von der Zellteilung zu reparieren. Derzeit ist allerdings noch nicht absehbar, wie so ein Weg aussehen könnte. Außerdem ist unbekannt, wie groß die Bedeutung dieses spezifischen Mechanismus für das Altern tatsächlich ist.

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