Biologie: Altersweise Schimpansen
Bei Menschen ist es gut erforschtes Verhaltensmuster: Je älter wir werden, desto weniger Sozialkontakte haben wir. Dafür pflegen wir manche Kontakte besonders, etwa zu alten Freunden. Anhänger der unter Psychologen verbreiteten sozioemotionalen Selektionstheorie erklären das mit unserer Fähigkeit, weit in die Zukunft zu denken: Für junge Erwachsene lohne es sich eher, in neue Bindungen zu investieren und sich ein möglichst großes soziales Netz aufzubauen. Ältere Menschen bräuchten das oft nicht mehr oder entschlössen sich dazu, ihre verbleibende Lebenszeit lieber mit engen Vertrauten zu verbringen.
Aber stimmt diese Interpretation? Ein Team um Alexandra G. Rosati von der University of Michigan hat sich der Frage nun mit einer Feldstudie im Kibale-Nationalpark in Uganda genähert. Die Biologen beobachteten dort zwei Jahrzehnte lang 21 Schimpansen, die in freier Wildbahn leben. Ältere Affen pflegten dabei eher ausgewählte und harmonische Sozialkontakte, schreiben die Forscher in »Science«. Jüngere Individuen hatten hingegen oft Beziehungen, die von Einseitigkeit und Konflikten geprägt waren.
Die Standarderklärung aus der sozioemotionalen Selektionstheorie eigne sich nicht dafür, das Verhalten der Affen zu erklären, merken die Forscher an: Schimpansen könnten zwar einige Tage in die Zukunft planen, aber sie hätten nicht die Perspektive auf den Rest ihres Lebens, die Menschen haben. Eine Abwägung der verbleibenden Lebenszeit ist also wohl auch beim Menschen nicht der alleinige Grund dafür, dass wir unsere Sozialkontakte im Alter stärker selektieren.
Wahrscheinlicher sei, dass wir im Lauf des Lebens lernen, welche Menschen uns gut tun und unsere emotionalen Bedürfnisse besser einschätzen können. So scheint es jedenfalls bei den älteren der beobachteten Schimpansen zu sein: Auf potenziell schädliche Sozialkontakte und Rangkämpfe verzichteten sie größtenteils. Stattdessen pflegten sie fast nur einvernehmliche Freundschaften.
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