News: Altes Erbe
Die letzten Eiszeiten, so hieß es die vergangenen drei Jahrzehnte, haben den Artenreichtum der Neotropis - des südamerikanischen Kontinents - hervorgebracht. Doch reich und vielfältig war die Lebewelt dort schon viel früher.
Nicht nur Darwin staunte, als er die unermessliche Vielfalt der südamerikanischen Tropen erlebte. Kein Baum, kein Blatt, keine Blüte gleicht auf den ersten Blick den Nachbarn, ein Eindruck, der sich auch in der Tierwelt wiederholt. Wie kam es zu diesem Artenreichtum, der Vielgestaltigkeit, unter welchen Bedingungen entstand diese Experimentierstube der Evolution?
Lange Zeit dachte man, die tropischen Wälder und ihre Lebewelt hätten seit dem Tertiär unerschüttlich die Klima-Kapriolen der Eiszeiten und der dazwischen geschalteten warmen Phasen überstanden. 1969 schließlich präsentierte Jürgen Haffer eine neue Theorie, die dem Bild der Beständigkeit heftig widersprach: Auch die Tropengürtel hätten die Eiszeiten zu spüren bekommen, denn die Feuchtigkeit dort müsste drastisch gesunken sein – schließlich hatten die sich ausdehnenden Gletscher Wasser gebunden und so den weltweiten Wasservorrat erniedrigt. Die daraus resultierende Trockenheit ließ die ausgedehnten Wälder auf isolierte Inseln schrumpfen – und da Isolation ein entscheidender Mechanismus bei der Artentstehung ist, schien die Vielfalt der Neotropis, also des südamerikanischen Kontinents, die zwingende Folge.
Drei Jahrzehnte lang blieb Haffers Theorie, wenn auch überarbeitet, häufig kritisiert und angezweifelt, die am weitesten verbreitete Vermutung. Jetzt allerdings könnte es sein, dass sie gänzlich überflüssig ist, um das Phänomen der südamerikanischen Vielfalt zu erklären: Denn artenreich war der Kontinent offenbar auch schon vorher – und zwar in weit größerem Ausmaß als bisher angenommen.
Peter Wilf von der Pennsylvania State University und seine Kollegen stießen in patagonischen Seeablagerungen aus dem Eozän auf über hundert verschiedene Pflanzenarten und etliche Überreste von Blüten, Früchten und Samen jener frühen Bewohner. Zu dieser Zeit – also vor 52 Millionen Jahren – herrschten auch in diesen gemäßigten Breiten mindestens subtropische Verhältnisse mit Jahresmitteltemperaturen von etwa 16 Grad Celsius und Wintertemperaturen, die 10 Grad Celsius nicht unterschritten, sowie Niederschlagsmengen von 1000 bis 1200 Millimetern – die Anden waren offenbar noch nicht soweit gehoben, dass sie den heutigen Regenschatten boten.
Andere Fossilfunde weltweit, die zur selben Zeit und unter ähnlichen Bedingungen entstanden, können bei dieser Artenzahl nicht mithalten, schon damals also war die Flora des südamerikanischen Kontinents reichhaltiger als die anderer Kontinente. Hinzu kommt, dass nach Ansicht der Wissenschaftler die gut hundert Arten sogar eher als untere Grenze zu sehen sind, da großblättrige Arten selten in Seesedimenten wiedergefunden werden.
Stimmte es also doch, das Bild von den beständigen Tropen, denen das Klima nichts anhaben konnte, und der Artenvielfalt, die sich nicht in wenigen Millionen Jahren entwickelte, sondern ein altes Erbe aus dem Tertiär ist, und die Eiszeiten überlebte? Das wäre ganz im Sinne Darwins, der Isolation zwar für einen wichtigen Beitrag zur Artentstehung und damit Biodiversität hielt, der zur Verfügung stehenden Fläche aber eine größere Bedeutung zugestand. Denn nicht etwa im engen Rückzugsgebiet, sondern im weiten Raum bei hoher Individuenzahl, so argumentierte er, sind die Chancen besser, vorteilhafte Variationen innerhalb einer Art hervorzubringen. Und dieser Prozess wird davon unterstützt, dass bereits vorhandene Arten – von Konkurrenten über Beute und Feinde bis hin zu hilfreichen Zeitgenossen – die Lebensbedingungen komplexer machten: eine Situation, die Neuentwicklungen förderte.
Bestätigt sich nun in weiteren Funden, dass die Artenvielfalt auch zu Beginn der Eiszeiten noch so ausgeprägt war, dann hätte die Refugialtheorie Haffers tatsächlich ausgedient – drei Jahrzehnte Diskussion um das Wann, Wo und Wer eiszeitlicher Erhaltungsgebiete in der Neotropis wären umsonst gewesen. Man darf gespannt sein auf weitere Forschungsergebnisse – und die Antwort von Haffer und seinen Schülern.
Lange Zeit dachte man, die tropischen Wälder und ihre Lebewelt hätten seit dem Tertiär unerschüttlich die Klima-Kapriolen der Eiszeiten und der dazwischen geschalteten warmen Phasen überstanden. 1969 schließlich präsentierte Jürgen Haffer eine neue Theorie, die dem Bild der Beständigkeit heftig widersprach: Auch die Tropengürtel hätten die Eiszeiten zu spüren bekommen, denn die Feuchtigkeit dort müsste drastisch gesunken sein – schließlich hatten die sich ausdehnenden Gletscher Wasser gebunden und so den weltweiten Wasservorrat erniedrigt. Die daraus resultierende Trockenheit ließ die ausgedehnten Wälder auf isolierte Inseln schrumpfen – und da Isolation ein entscheidender Mechanismus bei der Artentstehung ist, schien die Vielfalt der Neotropis, also des südamerikanischen Kontinents, die zwingende Folge.
Drei Jahrzehnte lang blieb Haffers Theorie, wenn auch überarbeitet, häufig kritisiert und angezweifelt, die am weitesten verbreitete Vermutung. Jetzt allerdings könnte es sein, dass sie gänzlich überflüssig ist, um das Phänomen der südamerikanischen Vielfalt zu erklären: Denn artenreich war der Kontinent offenbar auch schon vorher – und zwar in weit größerem Ausmaß als bisher angenommen.
Peter Wilf von der Pennsylvania State University und seine Kollegen stießen in patagonischen Seeablagerungen aus dem Eozän auf über hundert verschiedene Pflanzenarten und etliche Überreste von Blüten, Früchten und Samen jener frühen Bewohner. Zu dieser Zeit – also vor 52 Millionen Jahren – herrschten auch in diesen gemäßigten Breiten mindestens subtropische Verhältnisse mit Jahresmitteltemperaturen von etwa 16 Grad Celsius und Wintertemperaturen, die 10 Grad Celsius nicht unterschritten, sowie Niederschlagsmengen von 1000 bis 1200 Millimetern – die Anden waren offenbar noch nicht soweit gehoben, dass sie den heutigen Regenschatten boten.
Andere Fossilfunde weltweit, die zur selben Zeit und unter ähnlichen Bedingungen entstanden, können bei dieser Artenzahl nicht mithalten, schon damals also war die Flora des südamerikanischen Kontinents reichhaltiger als die anderer Kontinente. Hinzu kommt, dass nach Ansicht der Wissenschaftler die gut hundert Arten sogar eher als untere Grenze zu sehen sind, da großblättrige Arten selten in Seesedimenten wiedergefunden werden.
Stimmte es also doch, das Bild von den beständigen Tropen, denen das Klima nichts anhaben konnte, und der Artenvielfalt, die sich nicht in wenigen Millionen Jahren entwickelte, sondern ein altes Erbe aus dem Tertiär ist, und die Eiszeiten überlebte? Das wäre ganz im Sinne Darwins, der Isolation zwar für einen wichtigen Beitrag zur Artentstehung und damit Biodiversität hielt, der zur Verfügung stehenden Fläche aber eine größere Bedeutung zugestand. Denn nicht etwa im engen Rückzugsgebiet, sondern im weiten Raum bei hoher Individuenzahl, so argumentierte er, sind die Chancen besser, vorteilhafte Variationen innerhalb einer Art hervorzubringen. Und dieser Prozess wird davon unterstützt, dass bereits vorhandene Arten – von Konkurrenten über Beute und Feinde bis hin zu hilfreichen Zeitgenossen – die Lebensbedingungen komplexer machten: eine Situation, die Neuentwicklungen förderte.
Bestätigt sich nun in weiteren Funden, dass die Artenvielfalt auch zu Beginn der Eiszeiten noch so ausgeprägt war, dann hätte die Refugialtheorie Haffers tatsächlich ausgedient – drei Jahrzehnte Diskussion um das Wann, Wo und Wer eiszeitlicher Erhaltungsgebiete in der Neotropis wären umsonst gewesen. Man darf gespannt sein auf weitere Forschungsergebnisse – und die Antwort von Haffer und seinen Schülern.
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