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Altes Mexiko: Kindesopfer für den Machterhalt

Die Überreste eines kleinen Jungen aus dem alten Paquimé überraschen Archäogenetiker: Mutter und Vater waren Blutsverwandte. Wurde das Kind vor 700 Jahren getötet, um die Machtstellung der Familie zu sichern?
Ansicht der Lehmziegelruinen von Paquimé in Nordmexiko.
Die Mogollon-Kultur errichtete im 13. und 14. Jahrhundert aus Lehmziegeln die Stadt Paquimé, heute im Norden Mexikos gelegen. Die Stätte ist UNESCO-Welterbe.

Im 14. Jahrhundert war Paquimé eine blühende Stadt und der Mittelpunkt einer Region, die sich heute im nordmexikanischen Bundesstaat Chihuahua erstreckt. Obwohl Teile der Stadt, die Fachleute der Mogollon-Kultur zurechnen, inzwischen frei gelegt sind, ist unklar, wie die Menschen dort einst zusammenlebten. War die Gesellschaft beispielsweise streng hierarchisch geordnet? Der Lösung dieses Rätsels ist eine Forschergruppe um Jakob Sedig und David Reich von der Harvard University nun nähergekommen, indem sie die Überreste eines Kindes aus Paquimé genetisch untersuchte. Der Junge war als Menschenopfer in einem Kultbau begraben worden. Wie die Genanalyse ergab, die Sedig, Reich und Co im Fachjournal »Antiquity« veröffentlichten, waren Mutter und Vater des Kindes enge Blutsverwandte gewesen. Daraus folgern die Wissenschaftler, dass es eine herrschende Klasse gab – die ihre Machtposition möglicherweise mit einem solchen Menschenopfer stärken wollte.

Bei Grabungen in den 1960er Jahren fanden sich die Überreste des zwei- bis fünfjährigen Kindes im so genannten Haus des Brunnens in Paquimé. Das Skelett lag im Fundament eines Holzpfostens, der einen Raum in dem zentralen Kultgebäude stützte. Spuren am Schädel des Jungen legen nahe, dass er erschlagen und als Gründungsopfer in dem Bau niedergelegt wurde. Zwar entdeckten die Ausgräber dort weitere Skelette, jedoch keines in vergleichbarer Fundlage. Und nun ergab auch die Genanalyse an dem Kind einen besonderen Befund.

Sedig, Reich und ihrem Team fielen im Erbgut sehr viele so genannte Runs of Homozygosity (ROH) auf, also durchgehende homozygote DNA-Abschnitte. Was hat es damit auf sich? ROH sind lange Sequenzen im Genom, in denen die von mütterlicher Seite geerbte DNA mit derjenigen DNA identisch ist, die der Vater weitergegeben hat. Der Grund: Mutter und Vater haben einen gemeinsamen Vorfahren, waren möglicherweise Geschwister oder Cousins. Bei dem Jungen aus Paquimé nehmen die Forscher angesichts der Länge der homozygoten Sequenzen an, dass seine Eltern entweder Halbgeschwister, Onkel und Nichte, Tante und Neffe oder Großelternteil und Enkelkind waren. Zudem ergab eine Isotopenanalyse, dass das Kind in Paquimé aufgewachsen war. Eine 14C-Datierung der Knochen verweist ins 14. Jahrhundert.

Auch wenn, wie die Forscher betonen, die genaue Art der elterlichen Verwandtschaft unklar bleibt, haben kulturhistorische Studien gezeigt, dass Ehen unter Blutsverwandten vor allem in Herrscherfamilien üblich waren. Dadurch sollte die Macht in der eigenen Familie konzentriert bleiben. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die Ptolemäer: Das Pharaonengeschlecht der griechischen Zeit in Ägypten, also im späten 4. bis 1. Jahrhundert v. Chr., praktizierte mehrfach die Geschwisterehe. Für Paquimé vermuten die Forscher, dass ein Nachkomme eines Elitepaars, das noch dazu eng verwandt war, damals als besonders wirkmächtige Opfergabe angesehen wurde und zur Sicherung der gesellschaftlichen Machtstellung diente.

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