News: Altes Mittel auf neuen Wegen
Doch die gehemmte Prostaglandinproduktion konnte nicht alle Effekte des Medikaments erklären. 1994 stellten Wissenschaftler schließlich fest, dass Acetylsalicylsäure auch das Protein NF-kappa-B hemmt. Dieses Molekül aktiviert so genannte Cytokine, die wiederum andere Zellen des Immunsystems ankurbeln und so eine Entzündungsreaktion auslösen. Vincenzo Casolaro von den Johns Hopkins Medical Institutions fragte sich nun, ob womöglich auch Interleukin-4 dazugehört, das Entzündungsreaktionen fördert, indem es entsprechende Zellen aus dem Blut dazu anregt, ins Gewebe einzudringen. Doch das war nicht der Fall – tatsächlich stellte sich heraus, dass NF-kappa-B die Expression von Interleukin-4 in den Immunzellen sogar hemmt.
Nun bastelten Casolaro und sein Team die einzelnen Puzzleteile zusammen. Wenn Acetylsalicylsäure NF-Kappa-B hemmt, gleichzeitig aber NF-Kappa-B die Produktion von Interleukin-4 beeinträchtigt, dann sollte Acetylsalicylsäure eigentlich dazu führen, dass in Immunzellen mehr Interleukin-4 gebildet wird. Also gewannen die Forscher T-Zellen und kultivierten sie mit mit dem Wirkstoff. Doch zur großen Überraschung der Wissenschaftler hatte die Substanz genau den gegenteiligen Effekt: Der Gehalt an Interleukin-4 ging zurück.
Und damit nicht genug. Als die Forscher sich auf die Suche nach der Ursache machten, entdeckten sie zudem einen völlig neuen Wirkungsmechanismus des Medikaments. Denn als sie das für die Synthese von Interleukin-4 verantwortliche Gen genauer unter die Lupe nahmen, stellten sie fest, dass die Acetylsalicylsäure direkt an die DNA-Sequenz bindet, und zwar in der Promotor-Region. Hier wird die Menge reguliert, in der ein Protein hergestellt wird. Wenn Acetylsalicylsäure also auf diese Weise die Menge an zirkulierendem Interleukin-4 verringert, würde das die entzündungshemmende Wirkung der Substanz erklären. Und den verschiedenen Wirkungsweisen des Medikaments noch einen unerwarteten weiteren Mechanismus hinzufügen.
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