Jerusalem: Altes Siegel erhellt Rituale am Tempelberg
An der westlichen Umfassungsmauer des Jerusalemer Tempelbergs haben israelische Archäologen eine außergewöhnliche Entdeckung gemacht: ein altes Siegel. Nach Meinung der Forscher gibt es Einblick in die alltägliche religiöse Praxis der Juden im 1. Jahrhundert n. Chr.
Das knopfgroße Siegel aus gebranntem Ton enthält eine eingravierte aramäische Inschrift, die laut Entdecker Eli Shukron von der israelischen Antikenbehörde "rein für Gott" bedeutet. Vermutlich diente das Siegel dazu, Gaben oder Trankopfer zu markieren, die zum Tempel in den Gottesdienst gebracht wurden. Der entsprechende religiöse Verwaltungsakt werde bereits in der "Mischna" erwähnt, dem ersten kanonischen Regelwerk der mündlichen Überlieferung des rabbinischen Judentums. Wer ein Trankopfer darbringen wolle, heißt es dort, müsse dies vorher bezahlen und erhalte dafür einen "Stempel" – ohne diesen offiziellen Nachweis wurden keine Opfergaben ausgegeben.
Die Archäologen um Shukron gehen nun davon aus, zum ersten Mal einen der dort erwähnten Stempel gefunden zu haben. Den israelischen Wissenschaftlern zufolge datiert der Fund in die späte Zeit des zweiten jüdischen Tempels. Im Zuge des jüdisch-römischen Kriegs wurde das zentrale Heiligtum 70 n. Chr. von den Römern zerstört. An derselben Ausgrabungsstelle, an der das Siegel zum Vorschein kam, entdeckten die Archäologen zudem Münzen, Öllampen und Küchengegenstände.
Erst vor wenigen Wochen konnten sie am selben Ort antike Münzen bergen, welche die Fertigstellung des Tempels neu datierten. Demzufolge soll der Bau beinahe 70 Jahre später beendet worden sein als bisher angenommen.
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