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Pflanzengenetik: Altes Tomatenrätsel wurde gelöst

So manche Mutation bleibt unbemerkt - bis eine zweite dazukommt. Zum Beispiel bei Tomaten: Verändert man ein Gen, um sie besser ernten zu können, blühen sie plötzlich wie verrückt.
Tomatenpflanze

Fachleute aus den USA haben eine versteckte Falle im Tomatenerbgut entschärft, die Genetikern schon lange Zeit Kopfschmerzen bereitet. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts kennt man »erntefreundliche« Tomaten – doch sobald man versucht, diese Eigenschaft in anderen Sorten zu erzeugen, führt das oft zu überdurchschnittlich verzweigten und weniger fruchtbaren Pflanzen. Eine Arbeitsgruppe um Zachary Lippman und Sebastian Soyk vom Cold Spring Harbor Laboratory hat dieses Problem nun an der Wurzel gepackt. Schuld an der Misere sei eine kryptische Mutation – die seit Tausenden von Jahren im Erbgut schlummernde Genveränderung interagiert mit der neuen, die ihre Stiele »gelenkfrei« machen soll, berichtet das Team in »Nature Plants«. Eine Kombination aus gezielter Kreuzung, Genomsequenzierung und CRISPR-Cas löse dieses Problem – und könne womöglich als Modell für ähnlich geartete Probleme bei anderen Pflanzen dienen.

Die Campbell Soup Company in Florida brauchte für ihre Tomatensuppe vor allem eins: viele Tomaten. Darum freute man sich, als man in den 1950er Jahren auf der Plantage eine Tomatenpflanze entdeckte, die eine vorteilhafte Mutation trug: Man konnte ihre Früchte abknipsen, ohne dass – wie sonst – ein Rest des Stiels daran blieb. Sie hatte nämlich keine gelenkartigen Verdickungen in ihrem Stiel, die als »Sollbruchstellen« fungieren. Man setzte alles daran, diese Mutation in die Tomaten hineinzuzüchten – leider mit erheblichen Nebenwirkungen. Die Tomatenzüchter versuchten daraufhin, ihre Pflanzen so zu kreuzen, dass sie weniger stark austrieben und mehr Tomaten hervorbrachten. Nach den neuen Erkenntnissen der Forscher gelang ihnen das genau dann, wenn sie eine Pflanze erwischten, bei der die kryptische Mutation doppelt vorlag. Sozusagen nach dem Motto »Minus mal minus ergibt plus« führt die doppelte Mutation zu einer Neutralisierung der negativen Eigenschaften. Dieses Szenario stellte das Team um Lippman und Soyk mit Hilfe des CRISPR-Cas-Systems nach. Führten sie das »Anti-Gelenk«-Gen künstlich in Pflanzen mit der verdoppelten kryptischen Mutation ein, so trugen diese viele Früchte, die sich leicht ernten ließen.

Um Gene mit einem solchen System in Zukunft »nebenwirkungsfrei« verändern zu können, muss man kryptische Mutationen zunächst erkennen. Durch genomweite Sequenzierung und Editing-Methoden wie CRISPR-Cas wollen die Forscher »im Meer der Mutationen diejenigen ausfindig machen, die am ehesten kryptisch sein könnten«, erklärt Lippman. Die Forscher nehmen an, dass es solche Genwechselwirkungen viel häufiger gibt, als man bisher dachte. »Dieser Fall sollte uns als warnendes Beispiel dienen«, meint Lippman. Soyk ergänzt: »Bis heute ist die Züchtung von Pflanzen zum Großteil unvorhersehbar. Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse Züchtern dabei helfen, bessere Strategien zu entwickeln und Problemen vorzubeugen.«

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