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News: Am Anfang war die TNA?

Wie begann das Leben? Diese Frage gehört zu den faszinierendsten der Evolutionsforschung. Die Wissenschaft geht davon aus, dass vor der biologischen eine chemische Evolution auf der Erde stattgefunden haben muss. Als potenzieller Kandidat für das erste sich selbst reproduzierende Biomolekül gilt die RNA. Jetzt haben Wissenschaftler ein Molekül nachgebaut, das einfacher als RNA strukturiert, aber dennoch zur Reproduktion fähig ist.
Vor vier bis dreieinhalb Milliarden Jahren muss auf der noch jungen Erde etwas passiert sein. In der damals für heutige Verhältnisse ziemlich ungemütlichen "Ursuppe" bildeten sich wahrscheinlich erste organische Moleküle wie Aminosäuren, Lipide, Zucker und Nukleotide. Diese, so spekulieren die Wissenschaftler, könnten sich spontan zu ersten Makromolekülketten wie Proteinen und Nukleinsäuren zusammengeschlossen haben. Doch welches nun das Urmolekül war, das den Sprung ins Leben schaffte, darüber streiten sich die Gelehrten. Einig sind sich die meisten jedoch, dass dieses Urmolekül schon zu einer primitiven Vererbung in der Lage sein musste – es brauchte die Fähigkeit zur Selbstverdopplung.

Unser heutiges Erbmolekül, die doppelsträngige DNA, fällt als Urmoleküls wohl aus. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die komplizierte Vererbungsmaschinerie von DNA über RNA zum Protein als Ganzes auf einmal entstanden ist. Die Wissenschaftler tippen daher auf die einsträngige RNA, die zwischen DNA und Protein vermittelt. Kleinere RNA-Stränge könnten in der Lage gewesen sein, sich selbst zu reproduzieren und Aminosäuren zu Proteinen zu verknüpfen.

Aber auch die RNA ist immer noch eine relativ komplizierte Verbindung. Viele Forscher glauben, sie sei aus einem etwas einfacheren Molekül hervorgegangen. Doch wie sah dieser Vorläufer aus? Unter der Leitung des Chemikers Albert Eschenmoser begaben sich Wissenschaftler vom Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla und von der ETH Zürich auf die Suche nach dem Ursprung. Sie versuchten ein einfacheres, RNA-ähnliches Molekül nachzubauen.

Die Kettenglieder einer "normalen" RNA bestehen aus Ribose, einem Zuckermolekül mit fünf Kohlenstoffatomen, die über Phosphatgruppen miteinander verbunden sind. Gleichzeitig hängen an den Zuckermolekülen die verschiedenen Basen, mit denen die genetische Information verschlüsselt ist. Statt Ribose verwendeten die Chemiker einen Tetrose-Zucker, der nur vier Kohlenstoffatome aufweist. Da er aus zwei identischen Einheiten besteht, könnte er sich leichter als ein Fünferzucker in der Ursuppe gebildet haben. Aus der Tetrose bauten sie einen Makromolekülstrang mit dem Namen (L)-alpha-Threo-Furanosyl-(3'-2')-Oligonukleotid, oder kurz TNA. Dann kam die Probe aufs Exempel: Ist die TNA auch zu einer stabilen Basenpaarung in der Lage? Zur Freude der Forscher ist sie es: Die TNA paarte sich sowohl mit RNA als auch mit DNA-Strängen – eine entscheidende Voraussetzung für eine Selbstverdopplung.

Jetzt kann spekuliert werden: War die TNA unser aller Ursprung? Eschenmoser gibt sich vorsichtig, betont aber: "Das Molekül ähnelt RNA in seiner Struktur wie in seiner Gestalt, aber es ist nicht identisch. Die Molekülstruktur ist einfacher als die der RNA." Ob ein RNA-Vorläufer wirklich so ähnlich wie TNA ausgesehen hat, weiß jedoch niemand. "Es ist wie bei jeder Geschichte", meint der Chemiker Leslie Orgel vom Salk Instutute for Biological Studies in La Jolla, "man kann nicht absolut sicher sein, wenn man nicht dabei war."

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