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News: Am Nerv getroffen

Ein engmaschiges Geflecht aus unzähligen Nervenzellen bildet in unserem Gehirn ein hochkomplexes Netzwerk, das in Sekundenbruchteilen Impulse übermittelt. Als "Leim", der die Neuronen zusammenhält, fungieren hingegen die Gliazellen. Beide Grundbausteine unseres Nervensystems gehen aus neuronalen Stammzellen hervor, die geduldig auf ein Signal zur Weiterentwicklung warten. Das Protein PTEN greift offenbar regulierend in diesen Prozess ein: Ist es ausgeschaltet, vermehren sich die Zellen nicht nur ungehemmt, sondern schwellen auch zu abnormer Größe an.
Neugierig strecken die Nervenzellen ihre langen Ausläufer in die Umgebung aus und knüpfen Kontakt zu benachbarten Artgenossen. Auf diese Weise kristallisiert sich im Laufe der Zeit ein Netzwerk mit vielen Verästelungen heraus, über dessen Schaltstellen die einzelnen Zellen miteinander kommunizieren und wichtige Informationen weiterleiten. Für den Zusammenhalt dieser komplexen Struktur sind die so genannten Gliazellen (griech. glia: Leim) verantwortlich, welche die Neuronen nicht nur stützen, sondern auch isolieren, schützen und ernähren.

Der Ursprung der beiden Grundbausteine unseres Nervensystems liegt in den neuronalen Stammzellen, deren Nachkommenschaft sich – ausgelöst durch Signalkaskaden – weiter vermehrt und differenziert. Schon längere Zeit existieren Hinweise, dass das Tumorsuppressorgen PTEN, das in fehlerhafter Form verschiedene Krebsarten mithervorruft, eine Rolle bei der normalen Entwicklung von Nervenzellen spielt. Auf einen solchen Zusammenhang deuteten die Krankheitsbilder von Menschen hin, die erblich bedingt einen fehlenden Abschnitt oder eine Mutation dieser Erbanlage aufweisen: Oftmals zeigen die Betroffenen einen vergrößerten Kopfumfang oder ungewöhnlich große Gehirne.

Doch bislang blieb rätselhaft, wie das von diesem Gen kodierte Protein PTEN das Schicksal der neuronalen Stammzellen beeinflusst. Um nähere Details über dessen Wirkungsweise zu enthüllen, manipulierten Hong Wu vom Howard Hughes Medical Institute und ihre Kollegen von der University of California School of Medicine in Los Angeles die Erbsubstanz von Mäuseembryonen derart, das jenes Gen in einem späteren Entwicklungsstadium gezielt ausgeschaltet wurde.

Wie anatomische Untersuchungen ergaben, war das Gehirn der so behandelten Nager auffallend vergrößert. Doch damit nicht genug, denn auch die Gehirnzellen selbst nahmen ungeahnte Ausmaße an. Vermutlich regte ein außer Kontrolle geratener Signalweg die Stammzellen zu uneingeschränktem Wachstum an. Und offenbar greift das Protein PTEN nicht nur regulierend in die Teilung von Nervenzellen ein, sondern überwacht auch strengstens ihre Ausdehnung.

Indem die Forscher bestimmte Gehirnzellen mit Hilfe von Antikörpern kennzeichneten, wiesen sie nach, dass sich die neuronalen Stammzellen der gentechnisch veränderten Mäuse tatsächlich zu den normalen Zelllinien in den embryonalen Gehirnen entwickelten. Und wie weitere Markierungsversuche nahelegen, nehmen ihre Gehirnzellen infolge einer vermehrten Teilungsfreudigkeit und einer reduzierten Absterberate zu.

Um die Entwicklung der Stammzellen detaillierter zu erforschen, züchteten die Wissenschaftler im Labor Kulturen aus den Gehirnzellen der gesunden und manipulierten Mäuse. Jenen Ansammlungen von neuronalen Stammzellen und ihrer Nachkommenschaft fügten sie Wachstumsfaktoren hinzu, welche die Zellen gewöhnlich anregen, sich zu vermehren und zu differenzieren. Wie sich herausstellte, gingen zwar aus beiden Zellproben die Grundbausteine des Nervensystems – Neuronen und Gliazellen – hervor, doch teilten sich die Gehirnzellen der mutierten Nager wesentlich bereitwiliger als die ihrer unbehandelten Artgenossen.

Demnach kommt dem Protein PTEN vermutlich eine entscheidene Regulationsfunktion zu, denn es wacht offensichtlich penibel über den Vermehrungsprozess und den programmierten Zelltod. Weiterführende Studien sollen nun aufklären, ob PTEN als ein molekularer Ein- und Ausschalter im Zellzyklus fungiert. Zudem könnten sie zu einem besseren Verständnis beitragen, wie Mutationen im entsprechenden Gen zu einer ungehemmten Zellvermehrung bei Krebs führen.

  • Quellen
Howard Hughes Medical Institute
Science 10.1126/science.1065518 (1. November 2001)

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