Soziale Insekten: Ameisenfarmer halten sich bewaffnete Söldner
Der unscheinbare Staat der kleinen Sericomyrmex-Ameisen gedeiht durch sein gut organisiertes Agrarwesen: Die Insekten ernähren sich, wie viele verwandte Gattungen, aus eigens gezüchteten Pilzgärten. Sehr häufig lockt die üppige Pilzkultur aber auch rücksichtslose Schmarotzer auf den Plan: Wehrhafte, nah verwandte Ameisen der Gattung Megalomyrmex nisten sich dauerhaft in den Kolonien ein und leben dort wie die Made im Speck, ohne sich an der Pilzzucht konstruktiv zu beteiligen. Offensichtlich haben die einheimischen Farmer diesem kräftigen Parasiten nichts entgegenzusetzen, dachten bislang die meisten Ameisenforscher. Falsch, erkannten nun Rachelle Adams von der University of Copenhagen: Die Pilzzüchter leisten sich die Eindringlinge wohl notgedrungen als stehendes Heer zur eigenen Verteidigung.
Adams und ihre Kollegen fanden dies nach Feldbeobachtungen in Panama und im heimischen Labor heraus, in das sie mehrere Ameisenkolonien umgezogen hatten. Dabei zeigte sich, dass von Megalomyrmex besetzt gehaltene Sericomyrmex-Kolonien gut vor den Attacken einer dritten Ameisenart geschützt waren, der agroprädatorischen Gattung Gnamptogenys. Während Kolonien ohne Megalomyrmex-Schutz von diesen überlegenen Räubern meist völlig überwältigt, ausgeraubt und entvölkert werden, meiden die aggressiven Ameisen Kolonien, in denen sich die Schmarotzerameisen aufhalten.
Dies liegt offensichtlich daran, dass Megalomyrmex eine sehr effektive Waffe gegen Gnamptogenys einsetzen kann: Die Ameisen wehren sich mit einem giftigen Alkaloid, welches sie wiederholt auf die angreifenden Tiere applizieren. Dieses Gift tötet viele der attackierenden Gnamptogenys-Arbeiter direkt, markiert überlebende Flüchtende aber zusätzlich auch. So werden sie nach dem Rückzug in ihrer eigenen Kolonie häufig nicht mehr erkannt und dort von den Artgenossen getötet.
Die Chemiewaffe von Megalomyrmex wirkt offensichtlich so effektiv, dass Gnamptogenys ihr von vornherein auszuweichen sucht: Sie erkennt die gut verteidigten Kolonien am Duft aus der Entfernung, wie Adams und Kollegen herausfanden – und scheut dann einen Angriff. Megalomyrmex besetze für Sericomyrmex die Planstelle einer nur zeitweise rekrutierten Söldnerkaste aus Fremdlingen, schreiben die Forscher: Fast so wie das kostspielige Söldnerheer, das sich reiche Städte im Mittelalter in Zeiten des Krieges leisteten. Als Nächstes wollen die Forscher herausfinden, wie weit diese Analogie trägt: Ob die Pilzzüchterameisen etwa bei geringer Bedrohung durch Angreifer dann auch seltener von der ebenso wehrhaften wie im Unterhalt teuren Schmarotzerart unterwandert werden.
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