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News: Ammoniak in der Falle

Einen Sack Flöhe zu hüten, dürfte erheblich einfacher sein, als Moleküle zum Stillhalten zu bringen. Denn Teilchen aller Art sind ständig in Bewegung - die Wärme macht's. Nur bei einer Temperatur von minus 273 Grad Celsius wären sie regungslos. Atome können Forscher schon seit einiger Zeit effektiv kühlen, doch Moleküle machen mehr Probleme, denn ihre Bewegungen sind komplexer. Jetzt haben niederländische Forscher es geschafft, Ammoniak zu überlisten, und diesen in einem Volumen von der Größe eines Stückes Würfelzuckers einzusperren.
Atome zu fangen, ist schon lange kein Problem mehr, Moleküle hingegen lassen sich deutlich schwerer bremsen. Denn während Atome sich darauf beschränken, geradlinig hin- und her zu sausen, vollführen Moleküle weitaus kompliziertere Bewegungen. Da sie sich aus mehreren Teilen zusammen setzen, können sie im Ganzen rotieren oder die Einzelteile gegeneinander schwingen. Diese Bewegungen müssen bei Molekülen zusätzlich unterdrückt werden, wenn Wissenschaftler sie genau untersuchen wollen.

Moleküle absorbieren und emittieren Licht, aber wegen ihrer Bewegungen sind die Wellenlängen nicht scharf festgelegt. Wären sie jedoch in einer Falle gefangen, wäre das nicht mehr der Fall, und Wissenschaftler könnten die Strahlungsmechanismen erheblich detaillierter studieren. Davon wollen vor allem Astronomen profitieren, da sie auf die Beobachtung der Materie angewiesen sind, die im Weltall vorhanden ist. Dazu gehören vor allem häufig vorkommende, einfache Verbindungen wie Wasser, Kohlenmonoxid, Formaldehyd oder Ammoniak.

Genau diesen haben Gerard Meijer und seine Kollegen vom FOM-Institute for Plasma Physics Rijnhuizen in Nieuwegein und der University of Nijmegen in den Niederlanden gefangen. Allerdings war es kein normaler Ammoniak, NH3, denn die Forscher hatten den Wasserstoff durch Deuterium – schweren Wasserstoff – ersetzt.

Sie begannen mit einem Strahl schweren Ammoniaks, der eine Geschwindigkeit von rund 1000 Kilometer pro Stunde hatte. Zum Bremsen nutzten die Physiker den Dipolcharakter der Moleküle, als sie diese durch ein statisches elektrisches Feld schossen. Dort gewannen die Ammoniak-Teilchen potentielle Energie und verloren Bewegungsenergie, wurden also langsamer und gleichsam kälter. Noch bevor die Moleküle diesen Feldbereich wieder verlassen hatten, senkten Meijer und seine Kollegen die Feldstärke so drastisch, dass der Ammoniak keine Chance hatte, wieder an Geschwindigkeit zuzulegen. Diesen Prozess wiederholten sie mehrere Male, bis die Moleküle schließlich nur noch mit knapp 50 Kilometer pro Stunde weiterflogen.

Die eigentliche Falle war ein elektrisches Feld zwischen vier Elektroden. Dadurch entstand in der Mitte ein Hohlraum, in dem sich die Moleküle aufhalten konnten. Indem sie eine asymmetrische Spannung an die Elektroden legten, lockten die Forscher die Moleküle in diesen Hohlraum. Und dann schnappte die Falle zu: Die Wissenschaftler schalteten das Feld am Eingang auf Null und versperrten den Molekülen so den Ausgang. In dem Volumen eines Stückchen Würfelzuckers haben sie so schätzungsweise eine Million Moleküle bei einer Temperatur von nur einem Drittel Grad über dem absoluten Nullpunkt gefangen (Nature vom 3. August 2000).

Früher hatten Forscher nur wenige Moleküle in Fallen einsperren können. Und das waren auch noch Spezialfälle oder Tricks: Entweder waren die Teilchen sowieso schon magnetisch, oder die Moleküle entstanden erst aus schon gekühlten Atomen. Mit Hilfe des neuen Verfahrens soll es endlich möglich werden, auch gewöhnliche Moleküle zu untersuchen.

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