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News: An der Wirklichkeit gemessen

In der Antarktis ist es in großen Höhen viel kälter als gedacht. Erstmalig gemessen, sollen die Daten nun bei der Eichung von Klimamodellen helfen.
Atmosphäre
Computermodelle sind das Fundament moderner Klimaforschung; inwieweit ihnen jedoch zu trauen ist, hängt von ihrer Eichbarkeit ab. Dabei muss die Simulation beweisen was sie kann, indem sie in der virtuellen Welt Daten und Phänomene voraussagt, die sich in der wirklichen Welt überprüfen lassen.

Und so wird das Sammeln von Daten in der Natur niemals enden - insbesondere, weil die globale Atmosphäre noch eine ganze Reihe von weißen Flecken aufweist. Dazu gehören beispielsweise die Temperaturen in den höheren Schichten der polaren Atmosphären.

Am Südpol drangen Forscher jetzt erstmals in eine dieser Datenwüsten vor, indem sie Ballonmessungen mit denen eines bodengebundenen Laser-Radars (Light Detection and Ranging - LIDAR) kombinierten. Auf diese Weise entstand ein Temperaturprofil bis in die Thermosphäre in über 100 Kilometern Höhe.

Und dabei kamen Chester Gardner von der University of Illinois in Urbana-Champaign und seine Mitarbeiter zu einem überraschenden Ergebnis. Denn anders als auf der Basis bisheriger Modelle vermutet, ist es in großen Höhen über der Antarktis sehr viel kälter.

In den Monaten Mai, Juni und Juli - während des antarktischen Winters also - sinken die Temperaturen im Bereich der Stratopause in etwa 50 Kilometern Höhe demnach auf bis zu minus 18 Grad Celsius - auf der Basis der Computersimulationen hatte man hier Tiefsttemperaturen um die vier Grad Celsius erwartet.

"Doch während des langen antarktischen Winters gelangt kaum Sonnenlicht in die Antarktis", bemerkt Gardner. "Dann entwickelt sich in großer Höhe eine gegen den Uhrzeigersinn drehende Luftströmung, welche die Zufuhr warmer Luftmassen aus den niedrigeren Breiten vermindert". Diese Luftmassen sind im antarktischen Winter jedoch die einzige Wärmequelle, denn sinken sie ab, erwärmen sie sich. Diese so genannte adiabatische Erwärmung ist Folge der Kompression absinkender Luftmassen und wird von den meisten Klimamodellen überschätzt.

Um ihre Hypothese der verringerten Luftmassenzufuhr und dem damit geringeren Einfluss der adiabatischen Erwärmung zu überprüfen, bedienten sich die Forscher des Thermosphere-Ionosphere-Mesosphere-Electrodynamics General Circulation Models (TIME-GCM), der modernsten Software zur dreidimensionalen Simulation der oberen Atmosphäre und Ionosphäre schlechthin.

Und in der Tat: Berücksichtigten die Forscher den Effekt der polaren Windströmungen in großen Höhen und ihren Einfluss auf die Erwärmung durch adiabatisch absteigende Luftmassen, ergaben sich im Bereich der Stratopause Temperaturen von plus zwei bis minus elf Grad Celsius. Damit ist die Eichung zwar noch nicht perfekt, kommt der Realität aber weit näher.

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