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News: Anders herum

Das Leben auf dem Tiefseeboden geht sehr eigene Wege. So gibt es im tiefen Nordatlantik nur einmal im Jahr Nahrung nach der wiederkehrenden Planktonblüte. Meeresbiologen konnten nun Licht ins Dunkel bringen, wie die Lebensgemeinschaft der Tiefsee mit diesen Ressourcen umgeht.
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Es ist eine Binsenweisheit: Alles Leben braucht Energie. Das gilt auch für die Bewohner auf dem Grund der Tiefsee. Diese Böden bedecken mehr als die Hälfte der Erdoberfläche und bilden das größte Ökosystem der Erde. Auf diesem Tiefseeboden geht es – für menschliche Verhältnisse – ziemlich ungemütlich zu. Dort unten ist es stockfinster, die mittlere Temperatur liegt bei zwei bis vier Grad Celsius, und die Nahrung ist extrem knapp. Doch bis heute war nur wenig darüber bekannt, wie das Leben dort organisiert ist und wie es mit den sehr begrenzten Nahrungsressourcen umgeht.

Am Anfang der Nahrungskette stehen kleine, einzellige Algen, die mit Hilfe der Photosynthese Biomasse aufbauen und so das als Treibhausgas bekannte Kohlendioxid binden. Diese Verbindung ist ein wesentlicher Bestandteil des globalen Kohlenstoffkreislaufs, der entscheidend unser Klima beeinflusst.

Im Nordatlantik gibt es in jährlichen Abständen eine Algenblüte, die auch von Satelliten aus zu erkennen ist. Sterben die Algen dann ab, kommt am Meeresboden ein großer Nahrungsschub an, und das "große Fressen" kann beginnen. Bisher gab es allerdings nur wenig wissenschaftliche Fakten darüber, was dabei genau passiert. Um diesen Abbauprozess genau zu verfolgen, haben nun die Wissenschaftler um Ursula Witte vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und ihre Kollegen Algen der Art Thalassiosira rotula eingesetzt. Diese Algen markierten sie mit dem stabilen Kohlenstoffisotop C-13, um den Weg des Algenkohlenstoffs durch die Nahrungskette der Tiefsee verfolgen zu können.

Im Mai 2000 brach ein Team von Meereswissenschaftlern an Bord des deutschen Forschungsschiff FS Poseidon auf zur "Porcupine Abyssal Plain" (PAP) mitten im Atlantik, rund 1000 Seemeilen südwestlich von Irland. Dort schickten die Forscher Tiefseeroboter, so genannte "Lander", zum Meeresgrund. Alles lag gut im Zeitplan, denn im Mai 2000 war es noch weit bis zur eigentlichen Algenblüte. Vielmehr war dort seit fast einem Jahr keine Nahrung mehr auf dem Grund angekommen – ein idealer Zeitpunkt, um mit Hilfe der markierten Algen zu studieren, was genau beim Eintreffen eines Nahrungspulses passiert.

Die Messungen zeigten, dass der von den Wissenschaftlern künstlich ausgelöste Nahrungspuls in den Messkammern des Tiefseeroboters besonders schnell umgesetzt wurde. Die Bioaktivität – gemessen an der Umsetzungsrate von Sauerstoff – verdoppelte sich schlagartig. Das kam überraschend für die Wissenschaftler, erwartet hatten sie, dass es Tage bis Wochen dauern würde, bis der Abbauprozess auf Touren kommt. Immerhin stellen Bakterien etwa 95 Prozent der Biomasse in den oberen Tiefseesedimenten. Deshalb glaubte man lange, die Mikroorganismen wären maßgeblich für den Abbau organischen Materials in der Tiefsee verantwortlich.

Die Messreihen am Porcupine Abyssal Plain belegten nun, dass zuerst die bis zu einen Zentimeter großen Bewohner wie Krebse und Würmer die Nahrung in Angriff nehmen und sie in ihre Gänge transportierten. Dort, in bis zu 10 Zentimetern Tiefe des Sediments, konnten sich dann auch kleinere Lebewesen wie Nematoden, die ansonsten den Weg zur Oberfläche des Meeresbodens niemals schaffen würden, über die Reste und Ausscheidungen der Würmer und Krebse hermachen. Als Nebeneffekt durchlüften die Krebse und Würmer dabei den Meeresboden und sorgen so für optimale Sauerstoffbedingungen. Und erst ganz zum Schluss, nach etwa drei Wochen, kommen die Mikroorganismen an der Reihe.

Weitere Forschungsarbeiten am Tiefseeboden sind erforderlich, denn diese Ergebnisse zeigen, wie wenig die Menschheit immer noch über die Tiefsee weiß. Dank der einer neuartigen Kombination moderner Technologien können die Forscher nun in Zukunft genauere Einblicke in das riesige Ökosystem auf dem Grund der Ozeane gewinnen. Das ist auch deshalb dringend nötig, weil sich international die Vorschläge mehren, den Meeresboden als Deponie für unerwünschte Stoffe zu nutzen.

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