Angriffe auf US-Diplomaten: Steckt hinter der angeblichen Schallwaffe eine Massenhysterie?
Es begann 2016 auf Kuba: US-Diplomaten und ihre Familien, die von der Insel zurückkehrten, klagten über Hörverlust, Gleichgewichtsstörungen oder gar Symptome einer Gehirnerschütterung, und einige von ihnen berichteten von seltsamen Geräuschen, die sie vorher gehört hätten. Bald machte die Rede von einer »Schallwaffe« die Runde, und weitere Verdachtsfälle traten in China, Usbekistan und Singapur auf. Auch wenn Fachleute stets skeptisch waren, warnte die US-Regierung ihre diplomatische Vertretung in China im Mai 2018 schließlich vor seltsamen Geräuschen – sicher ist sicher.
Das allerdings könnte das Problem erst recht befeuern, wenn der Mediziner und Sozialwissenschaftler Robert Bartholomew Recht hat. Bartholomew erforscht psychogene Krankheiten, die sich rapide und ohne erkennbare organische Ursache in Gruppen ausbreiten. Seiner Hypothese nach gibt es die vermeintliche Schallwaffe nicht. In einem Medienbericht bekräftigt er nun die Hypothese, dass es sich um eine Art Massensuggestion handelt, basierend auf dem Nocebo-Effekt, der Umkehrung des Placeboeffekts. Demnach hätte die Geschichte von der Schallwaffe erst auf Kuba und später weltweit die Erwartung seltsamer Geräusche und Symptome geweckt, die dann auch prompt auftraten.
Damit verteidigt er seine These auch gegen eine im März 2018 erschienene Studie, nach der sich bei den Opfern der »Waffe« sogar messbare Veränderungen im Gehirn zeigten. Die will Bartholomew nicht gelten lassen: Solche Veränderungen träten unter sehr vielen Umständen ähnlich auf, argumentiert er, und Hirnscans seien ohnehin offen für Interpretationen. Dagegen sei nicht ersichtlich, wie eine Schallwaffe die genannten Symptome erzeugen sollte. Inzwischen allerdings stehen auch andere mögliche Erklärungen im Raum. So verweisen Fachleute auf ähnliche Fälle im Kalten Krieg, die vermutlich auf elektromagnetische Strahlung im Zusammenhang mit Abhöranlagen zurückgingen.
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