Hydrogeologie: Angezapft
Oberirdisch zieht ein Fluss seine definierte Bahn - mag er auch manchmal über die Strenge und Ufer schlagen, wirklich große Abweichungen seines Laufs sind kaum zu erwarten. Doch so stetig die Welt übertage, im Untergrund sieht manches anders aus: Hier tobt ein ständiges Kräftemessen ums wasserspendende Dasein. Da ändert ein Fluss auch schon mal die Richtung.
Kennen Sie Kocher und Brenz? Die beiden kleinen Flüsse durchziehen zwischen Aalen und Heidenheim die Schwäbische Alb – der Kocher nach Norden, die Brenz nach Süden. In dem Talstück zwischen den beiden Quellen steht an der Bundesstraße ein recht unauffälliges Schild mit der lapidaren Aufschrift: "Europäische Wasserscheide". Denn der Kocher, dessen zwei Quellbäche in Ober- und Unterkochen entspringen, strebt Richtung Rhein und damit Nordsee, die Brenz hingegen, mit einem spektakulären Quelltopf in Königsbronn, orientiert sich gen Donau und damit Schwarzem Meer. Eine Grenze von europäischer Bedeutung, die man wohl eher mit einem Berggrat assoziiert hätte, der Wasserströme offensichtlicher teilt als diese flache Wiesenlandschaft.
Wer dann an der Oberkochener Kocherquelle steht, der ist verblüfft: Ein mehrere Meter breiter Bach scheint urplötzlich direkt aus einer Steilwand zu strömen – nach einer Jahrtausende alten Ausstrittsstelle sieht das nicht aus, sondern eher nach junger, aktiver, ständig am Hang nagender Erosion. Weiter wundern darf er sich dann, wenn er bei Aalen am Albrand plötzlich auf Ablagerungen stößt, die eindeutig aus flussabwärts liegenden Gebieten stammen. Wie kamen sie dorthin? Floss der Kocher mal bergauf?
Mitnichten: Vor langer, langer Zeit zog die Brenz einst durch das Tal, das sie heute Stück um Stück dem Kocher abtreten muss. Denn im Untergrund gräbt ihr der Rheinzufluss das Wasser ab – mit dem Erfolg, dass sich die Quelle der Brenz immer weiter nach Süden verlagert, während ihr früher zuströmendes Grundwasser und Zuflüsse nun den Kocher speisen, der so seinerseits immer weiter in die Alb vorstößt. Irgendwann könnte der Brenztopf dadurch zum Kochertopf werden.
Was hier im Kleinen den ständigen unterirdischen Kampf ums Wasser illustriert, findet natürlich auch andernorts statt. Und betrifft genauso die wirklich ganz Großen: Wie Peter Clift von der Universität Aberdeen und Jerzy Blusztajn von der Woods Hole Oceanographic Institution feststellten, rangeln auch die Giganten Indus und Ganges um Fluss und Bach im Himalaya.
Die Forscher hatten anhand von Sedimenten im Arabischen Meer untersucht, aus welchen Regionen der Indus in den vergangenen 30 Millionen Jahren gespeist wurde. Eine spannende Zeit, hob sich doch in diesen Jahrmillionen das Massiv des Himalajas noch einmal beträchtlich und begründete damit den Monsun – der seinerseits die Erosionsbedingungen in und vor dem jungen Gebirge entscheidend beeinflusste.
Die wichtigsten Zubringer aus dem Himalaja sind die vier großen Flüsse des Punjab: Sutlej, Ravi, Chennab und Jellum. Die Isotopensignatur ihrer Sedimente findet sich jedoch nicht in den Ablagerungen, die älter als fünf Millionen Jahre sind – gab es sie damals also noch nicht? Das ist unwahrscheinlich, denn ihre Heimat ist deutlich älter. Offenbar also speisten sie den Indus zu diesen Zeiten noch nicht. Wohin aber entführten sie dann ihre steinige Fracht?
Wann genau das geschah, ist nun aus den entfernt ablagerten Schichten im Arabischen Meer nur sehr grob herauszulesen. Den Isotopenverhältnissen zufolge zeichnet sich vor 3,6 Millionen Jahren eine Veränderung in der Sedimentzusammensetzung ab.
Ob das nun aber allein Folge des neu angezapften Einzugsgebietes ist, bleibt unklar. Denn mit der Entstehung des Monsuns vor etwa vier Millionen Jahren verstärkte sich auch die Erosion in manchen Gebiete, sodass von dort schlicht mehr Material den Weg ins Meer fand.
Das Ganze ist damit mehr als nur eine nette Flussgeschichte. Denn anhand der Zusammensetzung von in Meeren abgelagerten Flusssedimenten versuchen Wissenschaftler gern, vergangene Erosions- und daraus Klimabedingungen oder die Entwicklung einer Gebirgsregion zu rekonstruieren. Wie der Kampf zwischen Ganges und Indus demonstriert, kann eines Rätsels Lösung auch mal von unerwarteter Seite kommen.
Wer dann an der Oberkochener Kocherquelle steht, der ist verblüfft: Ein mehrere Meter breiter Bach scheint urplötzlich direkt aus einer Steilwand zu strömen – nach einer Jahrtausende alten Ausstrittsstelle sieht das nicht aus, sondern eher nach junger, aktiver, ständig am Hang nagender Erosion. Weiter wundern darf er sich dann, wenn er bei Aalen am Albrand plötzlich auf Ablagerungen stößt, die eindeutig aus flussabwärts liegenden Gebieten stammen. Wie kamen sie dorthin? Floss der Kocher mal bergauf?
Mitnichten: Vor langer, langer Zeit zog die Brenz einst durch das Tal, das sie heute Stück um Stück dem Kocher abtreten muss. Denn im Untergrund gräbt ihr der Rheinzufluss das Wasser ab – mit dem Erfolg, dass sich die Quelle der Brenz immer weiter nach Süden verlagert, während ihr früher zuströmendes Grundwasser und Zuflüsse nun den Kocher speisen, der so seinerseits immer weiter in die Alb vorstößt. Irgendwann könnte der Brenztopf dadurch zum Kochertopf werden.
Was hier im Kleinen den ständigen unterirdischen Kampf ums Wasser illustriert, findet natürlich auch andernorts statt. Und betrifft genauso die wirklich ganz Großen: Wie Peter Clift von der Universität Aberdeen und Jerzy Blusztajn von der Woods Hole Oceanographic Institution feststellten, rangeln auch die Giganten Indus und Ganges um Fluss und Bach im Himalaya.
Die Forscher hatten anhand von Sedimenten im Arabischen Meer untersucht, aus welchen Regionen der Indus in den vergangenen 30 Millionen Jahren gespeist wurde. Eine spannende Zeit, hob sich doch in diesen Jahrmillionen das Massiv des Himalajas noch einmal beträchtlich und begründete damit den Monsun – der seinerseits die Erosionsbedingungen in und vor dem jungen Gebirge entscheidend beeinflusste.
Und wie die Wissenschaftler erstaunt feststellten, begann sich das Flusssystem im westlichen Himalaja vor fünf Millionen Jahren offenbar grundlegend umzugestalten: Während die Hauptmasse zuvor aus dem Karakorum kamen, stieg dann der Anteil der Sedimente aus dem östlich gelegenen Himalaja-Massiv dramatisch an.
Die wichtigsten Zubringer aus dem Himalaja sind die vier großen Flüsse des Punjab: Sutlej, Ravi, Chennab und Jellum. Die Isotopensignatur ihrer Sedimente findet sich jedoch nicht in den Ablagerungen, die älter als fünf Millionen Jahre sind – gab es sie damals also noch nicht? Das ist unwahrscheinlich, denn ihre Heimat ist deutlich älter. Offenbar also speisten sie den Indus zu diesen Zeiten noch nicht. Wohin aber entführten sie dann ihre steinige Fracht?
In den Ganges, schließen Clift und Blusztajn: Wie die Brenz, so verlor auch der heilige Strom der Inder Zuflüsse und Grundwasser an den erosionsstärkeren Kollegen.
Wann genau das geschah, ist nun aus den entfernt ablagerten Schichten im Arabischen Meer nur sehr grob herauszulesen. Den Isotopenverhältnissen zufolge zeichnet sich vor 3,6 Millionen Jahren eine Veränderung in der Sedimentzusammensetzung ab.
Ob das nun aber allein Folge des neu angezapften Einzugsgebietes ist, bleibt unklar. Denn mit der Entstehung des Monsuns vor etwa vier Millionen Jahren verstärkte sich auch die Erosion in manchen Gebiete, sodass von dort schlicht mehr Material den Weg ins Meer fand.
Das Ganze ist damit mehr als nur eine nette Flussgeschichte. Denn anhand der Zusammensetzung von in Meeren abgelagerten Flusssedimenten versuchen Wissenschaftler gern, vergangene Erosions- und daraus Klimabedingungen oder die Entwicklung einer Gebirgsregion zu rekonstruieren. Wie der Kampf zwischen Ganges und Indus demonstriert, kann eines Rätsels Lösung auch mal von unerwarteter Seite kommen.
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