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Medikamentenentwicklung: Ankommen und glänzen

Gesund essen, Sport treiben, nicht rauchen - all das hilft sehr, ist manchmal aber nicht genug, um den gestressten Körper vor sich ballenden Blutfetten zu schützen und Arteriosklerose und Herzerkrankungen zu verhindern. In diesen Fällen könnte bald die große Stunde kleiner RNA-Wirkstoffe schlagen.
Ach, diese ärgerlichen kleinen, feinen Unterschiede: Verheißung ist leider nicht gleich Erfüllung, einzelne Zellen sind nicht gleich ganze Organismen und Menschen keine Mäuse. Und deshalb sind auf dem Papier verheißungsvolle Eingriffe im richtigen Leben oft schon unvorhersehbar gescheitert; sind in Zellkulturen wunderbar wirksame medizinische Wunderwaffen im lebenden Organismus stumpf oder sogar manchmal schädlich. Und sind manche Medikamente, die bei Nagern Blutwerte stabilisieren, Tumoren austrocknen oder Gen-Ausfälle kompensieren, in Testreihen bei Menschen wirkungslos.

Immer dann, wenn nach langer Analyse ein viel versprechender, innovativer, pfiffiger neuer Ansatz gefunden und präsentiert ist, mit dem eine Krankheit vielleicht bekämpft werden kann, beginnt deswegen die noch weit längere Phase der langweiligen Routinearbeit: Viele Tests hier, noch mehr Feilen da, eben das Anpassen der prinzipiell wirksamen Substanz an die Anforderungen der biologisch-medizinischen Realität. In dieser Phase befinden sich mittlerweile auch – einige Jahre, nachdem die so genannte RNA-Interferenz ins grelle Licht der erwartungsfrohen Öffentlichkeit geraten ist – die Versuche, mit der Technik tatsächlich Krankheiten zu heilen.

Im Labor und Reagenzglas funktioniert RNAi dabei seit längerem hervorragend. Mit ihr lassen sich Gene gezielt und ohne großen Aufwand ausschalten: Die Injektion kurzer RNA-Stränge in eine Zelle blockiert diejenigen Gene darin, deren Sequenz zu jener der eingespritzten RNAs passt. Dies funktioniert, weil Enzymapparate der Zellen die eingebrachte RNA erkennen, auf die richtige Kürze trimmen und alle dabei entstehenden "siRNA"-Schnipsel als Vorlage zum zellinternen Vergleich herumreichen. Finden sich zelleigene Boten-RNAs mit dazu passender Basensequenz, dann werden Vorlage und mRNA abgebaut – und die Eiweiße, deren Bauanleitung in den mRNAs enthalten ist, folglich nicht länger produziert.

Wunderbar. Also müsste, um beispielsweise Cholesterinwerte von infarktgefährdeten Menschen zu senken, nur eine RNAi gegen, zum Beispiel, die körpereigenen Stoffwechsel-Produzenten des "bösen" Cholesterins in Pillen verpackt und richtig dosiert verabreicht werden? Stimmt im Prinzip, aber wie immer liegt hier der Teufel im Detail. Genaueres verraten uns nun Tracy Zimmermann und ihre Kollegen des biopharmazeutischen Unternehmens Alnylam.

Sie arbeiten daran, einmal ein bestimmtes Eiweiß (das Apolipoprotein B oder kurz ApoB) in einem bestimmten Gewebezelltyp des Menschen (in der Leber) ohne Nebenwirkungen auszuschalten. Dies hätte vermutlich erfreuliche Folgen: ApoB, hauptsächlich in den Zellen von Leber und oberem Dünndarm hergestellt, wirkt entscheidend an der Sekretion und Produktion von "Lipoproteinen geringer Dichte" (low density Lipoproteins, LDL) mit – dem so genannten "bösen Cholesterin". Und je weniger LDL im Verhältnis zur "guten" Cholesterin-Transportform HDL, desto niedriger ist nach medizinischer Lehrmeinung auch die Anfälligkeit gegenüber Herzerkrankungen.

Bei Mäusen funktioniert es schon ganz gut, ApoB per RNAi auszuschalten – mit Hilfe gezielter Injektionen des RNA-Wirkstoffes in die Leberzellen. Zimmermann und Kollegen gingen nun gleich zwei Schritte weiter – sie verpackten die RNAi-Dosis in eine spezielle Lipidhülle und testeten das Ganze an dem zweitmenschenähnlichsten Organismus des Labors – einer Sippe von Langschwanzmakaken (Macaca fascicularis). Die Verpackung der RNAs erlaubte es, die Dosis einfach in die Schwanzvenen der Affen zu jagen und sie ihren Weg zur Leber selber finden zu lassen.

Das gelang spektakulär: Die Leberzellen der Affen drosselten – abhängig von der eingesetzten Dosis – nach 48 Stunden für bis zu elf Tage ihre ApoB-Produktion um durchschnittlich achtzig Prozent. Andere Zelltypen zeigten sich unbeeindruckt. Die LDL-Werte im Blut der behandelten Tiere sackten entsprechend in den Keller.

Damit, so freuen sich die Forscher, ist eine mögliche Anwendung im Menschen schon wieder ein Stück näher gerückt. Die gelungene Lipidverpackung – Codename SNALP für stable nucleic acid lipid particles – könnte auch anderen Medikamenten zugute kommen, die ihre Wirkung gezielt in der Leber entfalten sollen. Auch wenn es also nicht schaden kann, seine Cholesterinwerte erstmal noch auf altbewährte Art und Weise niedrig zu halten – der Sprung der RNAi vom Labortisch in höhere medizinische Sphären könnte bevorstehen.

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