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Antarktis: Die Zukunft des Weltuntergangs-Gletschers sieht düster aus

Der Thwaites-Gletscher in der Westantarktis ist berühmt-berüchtigt, sein Zustand fragil. Eine langjährige Studie liefert neue, beunruhigende Ergebnisse.
Thwaites-Gletscher
Der Thwaites-Gletscher gilt als der Stopfen, der das westantarktische Eisschild stabilisiert. Aber wie lange noch?

Bricht der Thwaites-Gletscher in der Westantarktis zusammen, könnten die Meeresspiegel weltweit im schlimmsten Fall um bis zu 3,3 Meter steigen: Der Gletscher blockiert das Eisschild der Region, geht er verloren, strömen enorme Eismassen Richtung Meer und zerfallen dort. Nicht umsonst bezeichnen Glaziologen ihn als »Doomsday Glacier«. Im Rahmen der International Thwaites Glacier Collaboration untersuchten Wissenschaftler um Ted Scambos von der University of Colorado in Boulder den Gletscher über sechs Jahre hinweg – und liefern bedenkliche Ergebnisse, die sie auf einer Pressekonferenz vorstellten.

Die Zunge des Thwaites-Gletschers ruht teilweise auf einem Felsriegel, der tiefer unter dem Meeresspiegel liegt. Warmes Wasser ist in diesen Bereich vorgedrungen und schmilzt das Eis von unten ab. In Richtung Festland fällt dieser felsige Bereich ab, und sobald das warme Wasser die Schwelle überwunden hat, kann das ein riesiges Gletscherareal beeinflussen. Dieser Prozess hat bereits begonnen. Schon jetzt dringt Meerwasser kilometerweit unter dem Eis vor und schmilzt es schneller als gedacht.

Das hängt auch mit einem physikalischen Effekt zusammen: Wenn der Druck steigt, sinkt der Gefrierpunkt. Dadurch ist der Abstand zwischen Gefrierpunkt und Wassertemperatur in der Tiefe größer und das Eis schmilzt schneller. Erreicht das warme Wasser das Becken mit der Haupteismasse des Gletschers, die jenseits des Festlandes liegt, könnte der Gletscher in einem sich selbst beschleunigenden Prozess zu zerfallen beginnen.

Dieser Prozess ist aus Sicht der Arbeitsgruppe nicht mehr aufzuhalten: Gleich unter welchem Klimawandelszenario, der Effekt wird eintreten und der Gletscher meerseitig zerfallen, was die landseitig liegenden Eismassen verstärkt in Bewegung versetzen wird. Als Frage bleibt nur, wie schnell dies passiert. »Thwaites zieht sich seit mehr als 80 Jahren zurück, wobei sich der Rückgang in den letzten 30 Jahren erheblich beschleunigt hat. Und unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass er sich noch weiter und noch schneller zurückziehen wird«, sagt Rob Larte vom British Antarctic Survey, der an der Studie beteiligt ist.

Im schlimmsten Fall würden sich an der Vorderseite des Thwaites-Gletschers rasch kollabierende Eisklippen von 100 Meter Höhe oder mehr bilden: Schnelles, wiederholtes Kalben von Eisbergen würde zu einem unkontrollierten Rückzug führen. Zusätzlich entdeckten die Forscher auch bisher unbekannte Prozesse, bei denen Gezeiten das Eis schwächen. In dem Gebiet, in dem der Thwaites auf dem Meeresboden ruht, sickert bei steigender Flut wärmeres Wasser darunter. Wenn die Ebbe einsetzt, wird das Wasser mit hohem Druck bis zu zehn Kilometer weit unter das Eis gepumpt. Dieses Auf und Ab kann das Schmelzen an der Basis des Gletschers beschleunigen.

Die Ergebnisse deuten insgesamt darauf hin, dass der Thwaites-Gletscher und ein Großteil des westantarktischen Eisschildes bis zum 23. Jahrhundert verloren gehen könnten, was zum eingangs erwähnten Meeresspiegelanstieg von mehr als drei Metern führen wird. Doch selbst der früher eintretende Verlust des Thwaites sorgt für eine Erhöhung um bis 65 Zentimeter; schon heute verantwortet diese bis zu 120 Kilometer breite Eiszunge allein acht Prozent des jährlichen Meeresspiegelanstiegs.

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