Genomanalyse: Insekten überleben mit genetischer Minimalausrüstung im ewigen Eis
Insekten – die größte Tiergruppe der Erde – haben auch vor der Antarktis nicht Halt gemacht: Im ewigen Eis lebt die flügellose Mücke Belgica antarctica. Die lebenswidrige Umgebung verlangt den Tieren eine Menge ab. Umso überraschter waren Joanna Kelley von der Stanford University und ihre Kollegen, als sie das Genom der Mücke analysierten. Es ist das Kleinste, welches bisher bei Insekten gefunden wurde.
Dabei hatten Wissenschaftler die Fähigkeit, unter widrigen Bedingungen zu überleben, bisher eher mit einem großen Genom in Verbindung gebracht – unerwartet also, dass gerade die Insekten der Antarktis ein derart kompaktes Erbgut besitzen. Genauere Untersuchungen der Forscher zeigten, dass B. antarctica dabei ähnlich viele Gene besitzt wie andere Zweiflügler. Ein Großteil davon ist für Regulations- und Entwicklungsprozesse zuständig. Dagegen fehlen ihnen zum Beispiel einige der Duftrezeptoren, auf die ihre Verwandten in wärmeren Gefilden angewiesen sind: Da Duftstoffe für die flugunfähigen Tiere nicht von Interesse sind, reicht auch ein wenig differenzierter Geruchssinn aus, die nötige Nahrung und einen Partner zu finden.
Kompakt und klein wird das Genom aber nicht wegen vieler fehlender Gene, sondern durch die besonders schlanke Struktur des Erbguts, entdeckten die Wissenschaftler. So sind zwischen den Genen die Introns – Abschnitte aus nicht kodierender DNA, die Abschnitte aus kodierender DNA (Exons) trennen – deutlich verkürzt. Zudem ist auch die Zahl der Wiederholungen von Geninformationen merklich geringer.
Die auf das absolut Nötigste rationalisierte DNA der Zuckmücken scheint eine evolutionäre Antwort auf die Bedingungen der Antarktis zu sein. Wie genau die Insekten sich damit gegen die extremen Temperaturen, salziges Wasser, intensive ultraviolette Strahlung und den starken Wind wappnen, ist jedoch vorerst noch ungeklärt. Spannend bleibt auch, ob andere Extremophile ihr Genom ebenfalls an ihre Lebensbedingungen angepasst haben oder ob dies ein Alleinstellungsmerkmal dieser kleinen antarktischen Überlebenskünstler ist.
B. antarctica überdauert zwei eisige Winter als Larve und schlüpft im Sommer als kleine, knapp zwei bis sechs Millimeter große erwachsene Zuckmücke. In den kommenden sieben bis zehn Tage beschäftigen sie sich mit der Fortpflanzung, bevor sie die befruchteten Eier ablegen und sterben. Besonders faszinierend: Im Larvenstadium können die Tiere bis zu 70 Prozent Wasser verlieren, ohne Schaden zu nehmen. "Sie sehen aus wie kleinen verschrumpelte Rosinen, und wenn wir Wasser draufgeben, kehren sie in ihre natürliche Form zurück und krabbeln fröhlich ihres Weges", erklärt David Denlinger, Leiter der Studie.
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