Glaziologie: Antarktiseis auf Rekordkurs
Das antarktische Paradox macht sich auch 2013 wieder bemerkbar: Mit einer maximalen Ausdehnung von 19,65 Millionen Quadratkilometern im Südpolarmeer Mitte September übertraf die Eisbedeckung erneut den langjährigen Durchschnitt und erreichte einen Höchstwert, der seit Beginn moderner Satellitenaufzeichnungen Ende der 1970er Jahre nicht beobachtet wurde. Allenfalls um 1975 ermittelten Glaziologen ähnlich viel Meereis rund um den Südpol; allerdings gelten die damaligen Zahlen als weniger gesichert, weil ihre Erfassung nicht auf derart leistungsfähigen Messgeräten wie heute basierte. "Diesen Winter gibt es in der Antarktis so viel Meereis wie lange nicht mehr, wenn es überhaupt seit Beginn der regelmäßigen Satellitenbeobachtungen schon einmal so viel davon gegeben hat", meinen denn auch Marcel Nicolaus und Stefan Hendricks vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.
Damit unterscheidet sich die Antarktis auch dieses Jahr wieder eklatant von der Arktis, wo die maximale Meereisfläche am Ende der Schmelzperiode 5,1 Millionen Quadratkilometer betrug. Das entspricht zwar einer Erholung um 60 Prozent verglichen mit dem Vorjahr, als das arktische Eis ein absolutes Minimum im Beobachtungszeitraum erreichte. Doch liegt der Bedeckungsgrad weiterhin deutlich unter dem langjährigen Mittel. Rund um die Antarktis nimmt die Eisfläche jedoch auch nicht allerorten gleichermaßen zu: Rund um die Antarktische Halbinsel, die weit nach Norden Richtung Südamerika ragt und sich in den letzten Jahrzehnten stark erwärmt hat, fällt der Trend im Winter deutlich schwächer aus. Und im Sommer verliert die Region mehr Eis als in früheren Jahren – teilweise sind hier sogar einzelne Schelfeisverbände völlig zerfallen. In der Bellingshausen- und Amundsensee sowie dem Rossmeer liegt die Eisfläche hingegen selbst in den relativ warmen Monaten über dem Durchschnitt.
Noch verstehen die Polarforscher nicht ganz, warum sich die Antarktis vom globalen Trend bei der Eisschmelze abkoppelt. Zum einen blieben die Temperaturen in weiten Teilen der Region stabil kalt, zum anderen spielen wohl lokale Windsysteme eine große Rolle: Vom Eisplateau hinabjagende Fallwinde treiben das Packeis weiter hinaus aufs Meer und reißen Lücken in den Verband, die anschließend rasch wieder zufrieren, was netto den Zuwachs bedingt. Zudem isolieren starke zirkumpolare Westwinde und Meeresströmungen den Südkontinent, so dass wärmeren Luft- und Wassermassen die höheren Breiten nicht beeinflussen. Ausgenommen ist davon nur die Antarktische Halbinsel – mit den erwähnten Folgen.
Welchen Anteil langlebiges mehrjähriges Eis an der Gesamtfläche einnimmt, wollen die Wissenschaftler nun herausfinden: In der Arktis schwand besonders diese Eisform. Am Südpol beginnen sie jetzt erst mit entsprechenden Messungen; erste Erkundungsfahrten deuten allerdings daraufhin, dass dieses besonders stabile Eis ebenfalls zunimmt.
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