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Anthropozän: Vögel nutzen Anti-Vogel-Bänder zum eigenen Vorteil

Um Vögel fernzuhalten, bringen Menschen Dornen- und Stachelbänder auf Gebäuden und sogar Bäumen an. Doch die Tiere drehen den Spieß bisweilen um.
Elsternest aus Stachelbändern
Dieses Elsternnest besteht zu großen Teilen aus künstlichem Material, darunter sehr viele Anti-Vogel-Bänder. Die Vögel haben sie zu ihrem Zweck umgenutzt.

Vogelnester kommen in allen möglichen Formen vor; manche sind filigran, andere bestehen nur aus ein paar hastig hingeworfenen Zweigen. Längst machen sich die Tiere auch unsere Hinterlassenschaften zu eigen und integrieren Müll oder sogar Zigarettenkippen in ihre Nester – Letzteres, um Parasiten abzuwehren. Was der niederländische Biologe Auke-Florian Hiemstra vom Naturalis Biodiversity Center in Rotterdam aber beobachtet hat, toppt das alles noch einmal: Im Journal »Deinsea« beschreibt er zusammen mit seinem Team, wie Elstern und Rabenkrähen Material für ihre Nester nutzen, das eigentlich zu ihrer Abwehr dienen sollte.

Die Vögel verbauen Anti-Vogel-Spieße und -Dornen in ihren Nestern, die sie von Gebäuden oder Bäumen entfernt haben. Dort hätten sie eigentlich dazu gedient, dass sich die Tiere nicht hätten niederlassen oder gar brüten können – was wiederum potenziell Schmutz verhindert hätte. »Es ist eigentlich wie ein Witz«, sagt Hiemstra, »selbst für mich als Nestforscher sind das die verrücktesten Vogelnester, die ich je gesehen habe.«

In seiner Studie beschreibt das Team verschiedene Nester aus belgischen und niederländischen Städten, die teilweise oder vollständig aus Metallstangen oder Plastikbändern mit Abwehrstacheln bestanden. Manche der Nester wurden dabei sogar tatsächlich zur Brut genutzt, andere dagegen unvollendet aufgegeben. In einem Fall zählten die Forscher 336 Stacheln, die auf insgesamt fast acht Meter langen Bändern befestigt waren. Alle wiesen noch Spuren des Klebstoffs auf, mit dem die Streifen an den Gebäuden befestigt wurden. Die Vögel haben sie wohl tatsächlich gewaltsam entfernt. Ebenso befand sich ein Stück Vogelschutznetz im Nest, das eigentlich auch anderen Zwecken dienen sollte.

Die Krönung für Hiemstra und Co war jedoch ein Elsternnest, das 2021 in einem Zuckerahorn in Antwerpen entdeckt wurde. Es bestand fast vollständig aus Metallspikes zum Schutz vor Vögeln: 61 Leisten mit insgesamt 604 Spikes und 16,72 Meter Leistenlänge. Die Platzierung dieser Stacheln innerhalb des Kuppeldachs ließ für die Forscher nur einen Schluss zu: Sie sollten Feinde wie Greifvögel oder Krähen aus der Luft abwehren. Immer wieder bauen Elstern deshalb Äste mit Dornen oder Stacheln in den Oberteil des Nestes, doch auch menschliches Material erfüllt offensichtlich diesen Zweck, wie mehrere weitere Beispiele andeuteten.

Auf Twitter zeigt der Hiemstra weitere Beispiele außergewöhnlicher Vogelnester. Tauben beispielsweise bauten sich komplette Nester aus Schrauben und Nägeln oder benutzten Spritzen von Drogenabhängigen. Nicht immer sind diese Materialien allerdings zum Wohl der Vögel, wie erhöhte Nikotingehalte und andere Giftstoffe im Blut der Tiere zeigen.

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