Gentechnik: Anti-CRISPR soll CRISPR besser machen
Die nützliche Genschere CRISPR-Cas zum zielgenauen Einbau von DNA-Schnipseln in Gene haben sich Gentechniker von Bakterien abgeschaut: In der Natur helfen CRISPR und ähnliche Systeme den Keimen, sich gegen feindliche Viren zu schützen und deren Erbgut zu schreddern, bevor es im Bakterium Schaden anrichtet. Natürlich kennt die Natur aber keine Waffe ohne Gegenwaffe, und so gibt es Bakterien attackierende Viren, etwa Jumbo-Phagen, die die Bakterienwaffe unschädlich machen können. Wie das genau funktioniert, interessiert alle Wissenschaftler, die CRISPR-Systeme gerne in allen Situationen unter Kontrolle behalten wollen: Sie haben längst einige Dutzend unterschiedlicher Systeme ausgemacht, mit denen Phagen die Bakterien-CRISPR-Varianten stoppen können. Im Detail wird das unübersichtlich, weil Viren viele Wege gefunden haben, unterschiedliche CRISPR-Waffen zu stoppen – und verschiedene Forscherteams zuletzt immer neue Ansätze entdeckt haben. Einen weiteren, bis dato unbekannten steuern nun Malcolm White von der University of St Andrews und sein Team in ihrer Veröffentlichung in »Nature« bei: Ein Anti-CRISPR, das ein zentrales Signalmolekül der Virenverteidigung zur Schwachstelle macht.
Gefunden haben die Forscher das Anti-CRISPR (oder »Acr«, wie die Forschergemeinde abkürzt) in Viren, die verschiedene Sulfolobus-Archaeen befallen – Keime, die sich in extrem heißer Umgebung wie etwa Vulkankratern wohl fühlen. Auch der Wirkmechanismus der Verteidigung dieser Viren scheint ungewöhnlich, denn bisher bekannte Acrs arbeiten meist auf einem von drei Wegen: Sie kapseln die Viren mit Schutzwällen ganz ab, oder sie verhindern, dass die CRISPR-Systeme an die Zielsequenz der DNA binden, oder sie sorgen dafür, dass die Cas-Genscheren an Ort und Stelle nicht funktionieren. Die nun vorgestellte AcrIII-1-Familie aus Archaeen-Viren richtet sich stattdessen gegen die cA4-Signalmoleküle des CRISPR-Systems – und baut diese schnell und gezielt ab.
Das hat Folgen: cA-Moleküle sind ringförmige Oligoadenylate, also eine Art spezieller kurzer RNA-Schnipsel, die wichtige Signalfunktionen übernehmen, ohne die die CRISPR-Genscheren nicht funktionieren. Im Wesentlichen sorgen sie zusammen mit der zur Zielsequenz passenden Guide-RNA dafür, dass virales Erbgut in einer attackierten Zelle ordnungsgemäß zerlegt wird – was die AcrIII-1-Proteine stoppen, indem sie ihrerseits die cA-Signale zerstören.
Die Acr gehen erfreulich gezielt vor, schreiben White und Co: Die von ihnen isolierte Variante baut zum Beispiel nur cA4-Schnipsel, nicht aber längere oder kürzere Versionen der Signal-Oligoadenylate ab. Damit ist das Anti-CRISPR-Werkzeug – aufgespürt in exotischen Viren, die exotische Archaeen befallen – gerade auch gegen CRISPR- und Cas-Typen aller möglichen Zellen und Lebewesen einsetzbar, denn dort übernimmt cA4 häufig eine Schlüsselposition. Das neue Anti-CRISPR unterscheidet sich damit von anderen bekannten Anti-CRISPR, die oft eher sehr spezielle Ziele angreifen und vielleicht weniger Potenzial haben, allgemein nützliche Universalwerkzeuge zu sein.
Das Anti-CRISPR-Forschungsfeld hat in den letzten Jahren einen enormen Boom erlebt, tatsächlich ist die praktische Anwendbarkeit der vielen dabei aufgespürten Acr-Varianten in der Medizin und Gentechnik aber umstritten. Denn: »Wie soll man diese denn eigentlich tatsächlich sinnvoll einsetzen, um eine wirksame Kontrolle zu erlangen?«, zitiert die Nachrichtenseite des Magazins »Nature« die CRISPR-Pionierin und Nobelpreiskandidatin Jennifer Doudna in einer aktuellen Übersicht zum Thema. Klar sei nach Auffassung von Doudna allerdings auch, dass die Forschung an Anti-CRISPR in Zukunft ähnlich wichtig werden wird wie die an CRISPR selbst. Immerhin versprechen die CRISPR-Bremsen, die Wirkumg der Genscheren in bestimmten Bereichen gezielt zu stoppen und so die Wirkung noch präziser zu machen.
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