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News: Antike Nomadenkultur in Arabien

Grabungen in einer ehemaligen Siedlungs- und Begräbnisstätte am Jebel al-Buhais in Südost-Arabien lassen neue Erkenntnisse zur Besiedlungsgeschichte der Arabischen Halbinsel erwarten, die zu einer Revision bisheriger Vorstellungen über die Entstehung des Wüstennomadismus führen könnten. Bisher wurde davon ausgegangen, daß sich der Nomadismus als Pendant zu einer bäuerlich-seßhaften Oasenwirtschaft entwickelt habe. Die neuen Funde zeigen nun, daß es im östlichen Arabien schon lange vor der Gründung der ersten festen Ansiedlungen eine Hirtenbevölkerung gegeben hat, die mit Schaf-, Ziegen- und Rinderherden von Weidegrund zu Weidegrund zog.
Margarethe Uerpmann und Hans-Peter Uerpmann vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archaeologie des Mittelalters der Universität Tübingen haben in den Wintermonaten 1998/1999 ihre Ausgrabungen am Jebel al-Buhais in Südost-Arabien fortgesetzt. Die Grabungen erfolgen in Zusammenarbeit mit dem Antikendienst des Emirats Sharjah (Vereinigte Arabische Emirate).

Die Fundstelle umfaßt Siedlungsspuren und eine Nekropole des frühen fünften Jahrtausends vor Christus. Eine heute versiegte Quelle am Bergfuß, deren Nachweis in der jetzigen Grabungskampagne gelungen ist, hat spätestens ab 5100 vor Christus zu wiederholten Aufenthalten dieser Nomaden am Jebel al-Buhais geführt. In der Folge wurde der Platz zur Begräbnisstätte, an der über einen längeren Zeitraum hinweg beerdigt wurde. Insgesamt haben die Grabungen bis jetzt Reste von fast 300 Toten erfaßt. Viele Gräber enthalten Knochen-"Bündel", die zeigen, daß das betreffende Individuum an anderer Stelle gestorben und verwest ist. Später wurden die Skelettreste dann gebündelt und am Jebel al-Buhais zur letzten Ruhe beigesetzt. Im Gegensatz dazu wurden Gruppenmitglieder, die in der näheren Umgebung verstorben waren, vollständig und reich geschmückt bestattet. In der Regel liegen ihre Skelette mit angezogenen Beinen in rechter oder linker Seitenlage in flachen, rundlichen Gruben.

Nicht selten finden sich mehrere Skelette in einem Grab, wobei die Anordnung auf eine innige Beziehung zwischen den Toten schließen läßt. So wurden in diesem Jahr die Skelette zweier Frauen und eines Mannes aus einem Grab geborgen. Alle drei lagen auf der rechten Körperseite, der Mann zwischen den beiden Frauen. Seine linke Hand ruhte auf der Hüfte der vor ihm liegenden Frau. Alle drei trugen reichen Schmuck; wobei die beiden Frauen besonders auffielen. Die eine trug an ihrer Nasenöffnung einen durchbohrten Carneol (ein fleischfarbener Halbedelstein), während am Kinn der anderen eine echte Perle gefunden wurde. In Tübingen durchgeführte Laboruntersuchungen an Resten der in manchen Knochen erhaltenen Erbsubstanz DNA von vier Individuen, die schon 1996 zusammen in einem Grab gefunden wurden, lassen vermuten, daß mindestens zwei der vier zusammen Bestatteten miteinander verwandt waren.

Über die Todesursachen bei solchen Mehrfachbestattungen kann meist nur spekuliert werden. Im allgemeinen weisen die Skelette vom Jebel al-Buhais auf einen guten Gesundheits- und Ernährungszustand der steinzeitlichen Bevölkerung hin. Häufig sind aber bei beiden Geschlechtern verheilte und gelegentlich auch frische Verletzungen an den Schädeln zu beobachten. Gewalttätige Auseinandersetzungen, denen manchmal ganze Familien zum Opfer fielen, sind somit der plausibelste Grund für den gleichzeitigen Tod der gemeinsam Bestatteten.

Es ist nicht auszuschließen, daß dieses aggressive Verhalten auf einen erhöhten Bevölkerungsdruck zurückzuführen ist, wie er bei Hirtennomaden in den Trockengebieten der Erde immer wieder in Folge der natürlichen Klimaschwankungen entsteht. Bereits eine geringere Erhöhung der Feuchtigkeit bewirkt in Wüstengebieten eine deutliche Zunahme der Vegetation und damit eine Vervielfachung des Futterangebots für die Herdentiere, der ein rascher Anstieg der Herdengröße folgt. Wenn die klimagünstigen Perioden etwas länger anhalten, reagiert auch die menschliche Populationsdynamik positiv auf das erhöhte Nahrungsangebot. Am Ende solcher Gunstperioden wird der natürliche Rückgang der Vegetation durch die unmittelbar einsetzende Überweidung potenziert, so daß es zum schnellen Verlust großer Weidegebiete kommt. Auseinandersetzungen zwischen den Hirten um die Weideflächen sind die Folge. Länger anhaltende Dürrezeiten können einen Exodus großer Bevölkerungsteile erzwingen. Arabische Einfälle ins benachbarte Mesopotamien sind aus späterer Zeit mehrfach belegt, und auch die arabische Expansion in den Mittelmeerraum in der Spätantike könnte umweltgeschichtliche Hintergründe haben. Weltgeschichtlich gesehen haben derartige Bevölkerungsbewegungen in der Regel die kulturelle Entwicklung stimuliert. Auf diesen Zusammenhängen beruht die überregionale Bedeutung von Forschungen zur frühen Besiedlungsgeschichte der Arabischen Halbinsel.

Eine Phase erhöhter Trockenheit scheint auch dem frühen Nomadismus in Ostarabien ein Ende gemacht zu haben. Am Jebel al-Buhais brechen jedenfalls die Spuren der frühen Hirtennomaden um die Mitte des fünften Jahrtausends vor Christus ab. Bis zum Beginn der Bronzezeit gegen Ende des vierten Jahrtausends vor Christus fehlen bislang Hinweise auf eine menschliche Anwesenheit im Landesinneren Ostarabiens. Falls künftige Forschungen belegen können, daß es sich dabei um ein überregionales Phänomen handelt, sollte man in den Nachbargebieten Arabiens nach dem Verbleib der frühen Hirtennomaden und nach dem Impetus forschen, den sie der Entwicklung der Hochkulturen gegeben haben mögen, die sich damals in Mesopotamien und dem Niltal gerade im Stadium ihrer Entstehung befanden.

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