Direkt zum Inhalt

Antikes Baumaterial: Wie römischer Beton Risse von allein flickt

Römischer Beton gilt als besonders langlebig. Nun entdeckten Forschende eine mögliche Ursache, die auch für heutige Probleme hilfreich sein könnte.
Hinter dem Kolosseum in Rom geht die Sonne auf.
Das Kolosseum in Rom, das zwischen 72 und 80 n. Chr. errichtet wurde, besteht aus einem betonähnlichen Stoff: »opus caementitium«.

Die mächtigen Bauwerke der römischen Antike faszinieren jährlich Millionen von Touristinnen und Touristen auf ihren Reisen nach Italien. Doch nicht nur unter historischen und ästhetischen Gesichtspunkten sind die Bauten relevant. Wie ein Forscherteam um Linda Seymour vom Massachusetts Institute of Technology nun herausfand, könnte das Wissen über den römischen Beton einen Beitrag zur Reduktion des heutigen CO2-Ausstoßes leisten. So besteht römischer Beton aus Bestandteilen, die durch chemische Prozesse im Material entstandene Risse verschließen können, wie die Forschenden im Fachblatt »Science Advances« schreiben.

Für ihre Studie nahm die Arbeitsgruppe Proben von der zirka 2000 Jahre alten Stadtmauer des antiken Privernum unweit von Rom. Anschließend untersuchte sie den Beton im Elektronenmikroskop sowie mit Hilfe eines Röntgen- und Laserspektrometers, um die einzelnen Bestandteile im Gemisch zu identifizieren. Laut den Forschenden liegt das Geheimnis des beständigen Römerbetons in den für das Material typischen leuchtend weißen Kalkbröckchen. Die Herkunft dieser ungefähr einen Millimeter messenden Körner ist umstritten, womöglich entstanden sie beim Anmischen des Materials.

Globale CO2-Emissionen ließen sich mit »selbstheilendem« Beton reduzieren

Für das »opus caementitium« vermengten die Bauleute der Antike normalerweise gelöschten Kalk (Kalziumhydroxid) – einen Baustoff, der durch Kalkbrennen und anschließendes Löschen mit Wasser produziert wird – mit Zuschlagstoffen vulkanischen Ursprungs, den Puzzolanen, und mit Wasser. Bisweilen vermischten die Römer aber auch trockenen Branntkalk mit der Vulkanasche und Wasser. Bei diesem Prozess, der in einer exothermen Reaktion große Wärme entwickelt, bildeten sich vermutlich die weißen Kalkbrocken im Beton. Wenn im Lauf der Zeit Risse und Poren im Beton entstehen und dann Wasser in das Material eindringen kann, löst die Flüssigkeit Kalzium aus den Brocken. Daraufhin reagiert das Kalzium mit anderen Bestandteilen: entweder mit Wasser und Kohlenstoffdioxid zu Kalziumkarbonat – oder es reagiert mit der Vulkanasche im Beton. Beide Prozesse führen dazu, dass die Lücken wieder aufgefüllt werden.

Der Vergleich mit einem römisch inspirierten, aber modern produzierten Beton bestätigte die Ergebnisse der Forschergruppe. Durch den Prozess repariert der Beton also durch die Witterung entstandene Hohlräume selbst, was die Langlebigkeit und Stabilität antiker römischer Bauwerke erklären könnte, welche die Jahrtausende in teils beachtlicher Qualität überdauerten.

Doch welcher Nutzen könnte für die heutige Zeit in dem Verfahren schlummern? Auch darauf haben die Fachleute eine Antwort. Aktuell macht die Betonherstellung rund acht Prozent der globalen Kohlenstoffdioxidemissionen aus. Dieser nicht unerhebliche Anteil ließe sich mit »selbstheilendem« Beton reduzieren, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sofern sich diese nachhaltige und klimaschonende Produktionsform in der Baubranche langfristig durchsetzt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.