Antriebswende: Ackern ohne Diesel
Die Pläne der Bundesregierung, die Steuervorteile beim Agrardiesel zu streichen, haben heftige Diskussionen ausgelöst. Es geht um steigende Kosten für eine Branche, die ohnehin mit teuren Veränderungen konfrontiert ist – beispielsweise für Verbesserungen beim Tierwohl oder zum Schutz der Biodiversität. Und die als eine der großen Stellschrauben im Klimaschutz künftig noch stärker in die Pflicht genommen werden wird, wenn es um die Einsparung von Treibhausgasen geht.
Die geplanten Kürzungen waren jedoch weniger dem Klimaschutz als vielmehr der finanzpolitischen Misere der Ampelregierung geschuldet. Denn die Emissionen aus dem Maschinenpark sind überschaubar, entsprechend gering ist der Einspareffekt: Die Landwirtinnen und Landwirte verbrennen jährlich rund zwei Milliarden Liter Diesel. Das sind bezogen auf den gesamten Dieselverbrauch in Deutschland rund sechs Prozent. Das dabei ausgestoßene CO2 macht gerade einmal zehn Prozent der Gesamtemissionen der Agrarbranche aus.
Die Landwirtschaft belastet das Klima durch die Tierhaltung, die große Mengen Methan produziert, und durch den Einsatz von Düngern, die unter anderem Lachgas erzeugen. Hinzu kommen trockengelegte Moore, aus denen Kohlendioxid ausgast. Nur in geringem Maße belastet sie es durch den Auspuff am Traktor.
Und dennoch stellt sich die Frage, warum noch immer so viele Traktoren und Mähdrescher auf den klimaschädlichen Antrieb setzen. Warum sich in Wald und Feld nur wenig tut, während auf den Straßen sichtbar mehr Elektro-Pkw fahren.
Geforscht wird an alternativen Antrieben bereits seit Langem. »Mit Blick auf die Automatisierung sind elektrische Antriebe naheliegend, sie lassen sich sehr gut integrieren«, sagt Thomas Herlitzius, Professor für Agrarsystemtechnik an der TU Dresden. Bereits vor gut 15 Jahren habe ein Elektro-Hype in der Branche begonnen. »Die Komponenten sind entwickelt, nun wartet man darauf, dass der Kostennachteil kleiner wird, um an den Markt zu gehen.«
Nichts für große Trecker
Denn auf den Höfen ist es wie im Straßenverkehr: Elektrofahrzeuge sind teuer in der Anschaffung, erfordern eigene Infrastruktur wie Ladestecker. Vor allem aber müssen sie zuverlässig funktionieren, sei es beim täglichen Einsatz im Stall oder bei der Ernte. Auf der anderen Seite haben viele landwirtschaftliche Betriebe Solarzellen auf ihren Dächern, eine preiswerte Stromquelle.
Langsam trauen sich die Hersteller auf den Markt. Fendt bietet einen batterieelektrischen Kleintraktor mit 55 Kilowatt (zirka 75 PS) an, John Deere will 2026 einen autonomen Schlepper mit rund 75 Kilowatt auf den Markt bringen. Peter Pickel koordiniert europäische Forschungsprogramme des Herstellers und erklärt, warum zunächst kleinere E-Maschinen gebaut werden: »Kleintraktoren, wie sie beispielsweise im Gemüsebau eingesetzt werden, fahren selten unter Volllast, müssen also weniger Leistung bringen.« Zudem ist es einfacher, einen Ladestopp einzuplanen. Anders verhält es sich mit großen Schleppern, die etwa über zig Stunden einen Pflug ziehen. Sie bräuchten Batterien, »die einige Tonnen zusätzliches Gewicht bedeuten, von den Kosten ganz zu schweigen«, sagt Pickel.
In dieser Leistungsklasse wird es seiner Einschätzung nach vorerst bei flüssigen Treibstoffen bleiben. In Frage kämen synthetische Kraftstoffe (E-Fuels), die allerdings auch von anderen Branchen wie der Luftfahrt als klimafreundlicher Ersatz begehrt werden und bisher nur in Kleinstmengen verfügbar sind. »Wenn man schnell den CO2-Ausstoß verringern will, sehe ich nur Biotreibstoffe als Alternative«, meint Pickel. Das könne auch Pflanzenöl sein, das mit geringem technischen Aufwand regional zu erzeugen sei, etwa aus Raps oder Sonnenblumensamen. In einer Ölmühle wird der Treibstoff gewonnen, der so genannte Presskuchen ließe sich als Tierfutter verwerten. John Deere will dazu auf der Messe »Grüne Woche« Ende Januar einen pflanzenölbetriebenen Traktor vorstellen.
Energie vom Acker für den Acker
Eine Arbeitsgruppe im Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) kam jüngst zu einem ähnlichen Fazit: Für nicht elektrifizierbare schwere Arbeiten sehen die Fachleute ebenfalls Biokraftstoffe vorn. Der Biosprit ist zuletzt zwar in Verruf geraten, weil der massive Anbau von Energiepflanzen sich dann doch als wesentlich weniger klimafreundlich erwies als gehofft. Aber für den Einsatz in den schweren Nutzfahrzeugen halte sich das Problem in Grenzen. Die Verbrauchsmengen im Sektor seien bekannt und in Relation zu anderen Verkehrssektoren vergleichsweise niedrig, schrieb das Fachgremium 2023 in einer Veröffentlichung. »Eine überbordende Produktion von Anbaubiomasse auf Grund der Nachfrage aus der Landwirtschaft« sei darum nicht zu erwarten. Heutzutage wandern Biokraftstoffe primär als Beimischung in den Diesel und das Benzin für Pkw. Je mehr Elektroautos künftig unterwegs sein werden, desto weniger werde gebraucht und könnte dann als Reinkraftstoff in den Sektor Landwirtschaft umgeleitet werden, schlagen die Fachleute vor.
Auch alternative Antriebe werden erforscht und in Kleinserien getestet, darunter Methan beim Hersteller New Holland oder Wasserstoff bei Fendt, wo Prototypen mit einer Brennstoffzelle ausgestattet sind. »Solche Ansätze sind interessant, aber die Entwicklung braucht noch wesentlich länger als bei Elektroantrieben«, sagt Herlitzius. Dies beginne bei der Speicherung des Gases auf dem Traktor, reiche über den zuverlässigen Betrieb der Maschine bis hin zu der Frage, welche Fahrzeuge dafür in Frage kommen. Denn auch Wasserstoff hat wie eine Batterie eine geringe Energiedichte, benötigt salopp formuliert viel mehr Volumen, um den Bedarf eines großen Fahrzeugs zu decken. »Große Schlepper oder Mähdrescher würden enorme Mengen Wasserstoff verbrauchen, die müssten extra mit Tankzügen zu den Feldern gebracht werden«, sagt der Forscher. »Das erscheint unsinnig.«
Batterieelektrische Antriebe sieht Herlitzius, ähnlich wie Pickel, nur bei Maschinen bis rund 100 Kilowatt Leistung. Für größere Geräte, die drei- oder fünfmal so viel Leistung haben, wären riesige Akkus nötig. »Dabei haben schon heute entsprechende Fahrzeuge enorme Abmessungen und Gewichte, so dass sie teilweise nur mit Sondergenehmigung fahren dürfen.«
Traktor mit Kabelanschluss
Eine Alternative könnten kabelgebundene E-Maschinen sein. Im Projekt »GridCon« wurden dafür technologische Grundlagen erforscht, von den Fahrzeugen bis zur Anbindung ans Stromnetz. Einen Prototyp schickte John Deere bereits 2019 auf den Acker. Der fahrerlose Traktor hat vorn eine große Kabeltrommel, legt seine Versorgungsleitung während der Fahrt seitlich ab, damit sie nicht von nachgezogenen Arbeitsgeräten beschädigt wird, und nimmt sie bei der Rückfahrt wieder auf. Beim Ackerbau der Zukunft – satellitengestützt, präzise, leise – lässt sich solch ein Gefährt gut vorstellen.
»Das ist am ehesten sinnvoll bei sehr großen Flächen oder für eine Landwirtschaft, die am Reißbrett geplant wird«, sagt Pickel, der an dem Projekt beteiligt war. In den Details gebe es noch viel Entwicklungsarbeit, sollte ein solcher Weg verfolgt werden. »Vor 2040 ist das nicht praxisreif.«
Die aktuell diskutierten Kürzungen könnten aber durchaus dazu beitragen, die klimafreundliche Antriebswende in der Landwirtschaft zu beschleunigen. Denn damit würden alternative Systeme »ökonomisch an Vorzüglichkeit gewinnen und damit technische Entwicklungen anstoßen«, sagt Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock dem »Science Media Center«. »Aber es ist aktuell kaum einzuschätzen, wie schnell und in welchem Maße solche Alternativen marktfähig werden.«
Und sein Forscherkollege Herlitzius mahnt, die Relationen im Blick zu behalten: »Wenn man Methan und Lachgas um die Hälfte reduzieren könnte, dann hätte das die vierfache Wirkung im Vergleich zum Dieselersatz.«
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