News: Arbeitsam und trotzdem arm
Mit der neuen Studie wird der 1994 veröffentlichte erste nationale Armutsbericht für das vereinte Deutschland fortgeschrieben und aktualisiert. Sie erfasst die Jahre 1985 bis 1998 und basiert auf einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Danach lag die Quote der Einkommensarmen im alten Bundesgebiet mit 8,7 Prozent etwas niedriger und in den neuen Bundesländern mit 10,7 Prozent etwas höher als der Bundesdurchschnitt (9,1 Prozent). Als einkommensarm gelten dabei Bürger, die mit ihrem Einkommen unter der Armutsschwelle von 50 Prozent des durchschnittlichen verfügbaren bedarfsgewichteten Pro-Kopf-Einkommens liegen.
Überraschend ist, dass die Armutsquote von Menschen in Erwerbstätigenhaushalten nur geringfügig unter der allgemeinen Armutsquote liegt. "Probleme entstehen vor allem dann, wenn in Paar-Haushalten mit minderjährigen Kindern nur ein Partner erwerbstätig ist und ein niedriges Arbeitseinkommen hat", so die Autoren. In Arbeitslosenhaushalten liegt die Armutsquote mehr als dreimal so hoch wie für die Gesamtbevölkerung – mit steigender Tendenz. "Die soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit reicht bei vielen Haushalten nicht aus, um einen Abstieg bis unter die Armutsgrenze zu verhindern". Die Analysen der Studie lassen daher keineswegs den Schluß zu, dass es den Arbeitslosen in der Bundesrepublik "zu gut" geht. Etwa dreimal so hoch wie für die Gesamtbevölkerung ist die Armutsquote auch für Alleinerziehende, Ausländer und Spätaussiedler. Migranten sind aber nicht nur in stärkerem Maß, sondern auch länger arm.
Den Stellenwert der Politik gegen Armut in der Bundesrepublik bezeichnen die drei Sozialforscher als "nach wie vor eher begrenzt". "Ausgehend vom Problem der Einkommensarmut sind vor allem der Ausbau der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, die armutsfeste Ausgestaltung der Einkommenssicherung beim Einkommensausfall sowie eine konzeptionelle Neudefinition der Ausgleichsleistungen für besondere Lasten gefordert." Es werde in der Bundesrepublik in den kommenden Jahren darauf ankommen, das in anderen Ländern erfolgreiche Konzept der "Aktivierung" im Sinne echter Reintegrationshilfen in Arbeit und Gesellschaft zu akzentuieren.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 9.12.1999
"Armut in NRW – immer größere soziale Spaltung"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 25.8.1999
"Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 3.8.1998
"Ab dem zweiten Kind lebt die durchschnittliche Familie in Armut"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
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