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Neurobiologie: Arbeitsgedächtnis auf Sparflamme

Täglich stürmen tausende Sinneseindrücke auf uns ein. Das Hirn speichert nicht wenige davon kurz ab, für den Fall, dass diese wichtig sein könnten. So viele Information auf Abruf bereit zu halten könnte kostspielig für das Arbeitsgedächtnis sein - wäre da nicht der Energiesparmodus, der Nervenzellen auf Stand-by stellt.
Gedächtnis und Erinnerung
Während Sie diesen Text lesen, klopft jemand an die Tür und fragt, ob das Telefon kürzlich geklingelt hat. Ihr Hirn kramt im Arbeitsgedächtnis zwischen den verschiedenen Erinnerungen, findet die gespeicherte Information über das Telefon und schickt einen Nervenimpuls, auch Aktionspotenzial genannt, auf den Weg – "Ein Anruf? Nein, in der letzten Minute hat niemand angerufen."

Und schon steigen Sie wieder in ihrem Text ein. Ohne ein funktionierendes Arbeitsgedächtnis hätten Sie die Frage nicht beantworten können und auch mit dem Lesen noch einmal von Vorne beginnen müssen. Das Arbeitsgedächtnis – ein Teil des Kurzzeitgedächtnisses – speichert Informationen, Such-, Entscheidungs- und Lösungsstrategien im Frontallappen der Großhirnrinde. Aber nur für einige Sekunden, um sie anschließend umzusetzen. Mit welchem Mechanismus der Kortex unsere Gedankenschnipsel für einige Sekunden auf Abruf bereithält, ist allerdings bisher nicht bekannt, unter Neurobiologen kursieren verschiedene Theorien. Die Tatsache, dass Nervenimpulse während der Überbrückungszeit andauern, lässt vermuten, dass der Speicher in Form von anhaltenden Aktionspotenzialen besteht. Diese "Nervenimpuls-Theorie" geht also davon aus, dass die Information aktiviert im Netzwerk des Kortex zirkuliert.

Manchmal verschwindet das elektrische Neuronenpotenzial während der Speicherphase jedoch komplett, wie Wissenschaftler an Primaten beobachten konnten [1]. Nach der Nervenimpuls-Theorie würde das bedeuten, dass die Information verloren ist – das war aber nicht der Fall bei den untersuchten Menschenaffen.

Model des Nervennetzwerkes | Aufbau des computersimulierten Arbeitsgedächtnisses. Die vier aktivierenden Neuronen stehen für verschiedene Erinnerungen. Die schwarzen Dreiecke stellen inhibitorische Neuronen dar, die ohne spezifische Struktur mit dem kompletten Netzwerk verbunden sind.
Um diese Unstimmigkeit zu beseitigen, erweiterten die Forscher um Misha Tsodyks vom Weizmann Institute of Science in Rehovot die die Nervenimpuls-Theorie [2]. Sie entwickelten ein computersimuliertes Netzwerk aus Nervenbahnen, das die Großhirnrinde imitiert. Mit diesem Modell analysierten sie die Verknüpfungsstellen zwischen den einzelnen Neuronen – im Lebewesen als Synapsen bekannt. Die Versuche bestätigten ihre Annahme, dass auch ohne ständige Aktionspotenziale eine Information gespeichert werden kann.

Nervenimpuls- und Synapsen-Theorie | Die verstärkte Frequenz der Aktionspotenziale (AP), ausgelöst durch einen Reiz (grün markiert), hält dank der erregenden Rückkopplung über die gesamte Zeitspanne an (oberes Bild). Durch den präsentierten Reiz (grün) steigert sich die Menge an Kalzium in den Synapsen. Die Emissionsrate liegt unwesentlich über der Grundlinien-Emission. Der Schwellwert wird zeitweise überschritten und resultiert in einem Nervenimpuls (rot, unteres Bild).
Der Schlüssel zur verfeinerten Theorie liegt in der Speicherfähigkeit der Synapsen. Sobald ein Aktionspotenzial an einer Synapse ankommt, strömt Kalzium in die Endköpfchen, woraufhin ein Transmitter in den synaptischen Spalt ausgeschüttet wird und ein Aktionspotenzial an den nachfolgenden Neuronen initiiert. Solange der Computer die Synapsen mit ausreichender Aktivierungskapazität unterstützte, konnte im Model auch die gewünschte Erinnerung durch ein schwaches, unspezifisches Signal reaktiviert werden.

Erhöhte Kalzium-Level in der Synapse | Nachdem ein Nervenimpuls (rot) die Synapse erreicht, erhöht sich die Kalzium-Menge (blau) in den Synapsen, und Transmitter (rote kleine Kügelchen) werden freigelassen. Anschließend kehren die Transmitter-Moleküle auf ihr Ausgangsniveau in die Synapse zurück (kurzer Pfeil), während die Kalzium-Ionen länger brauchen, um ihr Ausgangsniveau zu erreichen (langer Pfeil, Speicherzeitraum).
Wie eine ausreichende Aktivierungskapazität einer Synapse aber in Natura aussehen könnte, beschreiben die Wissenschaftler in ihrer "Synapsen-Theorie". Danach reichern sich Kalzium-Ionen in den Synapsen an. Da Kalzium nach einem Aktionspotenzial nur sehr langsam in den synaptischen Spalt zurückkehrt, überbrücken die Ionen einige Sekunden. Solange ausreichend Kalzium vor Ort bereitsteht, können Transmittermoleküle freigelassen werden, das stillgelegte Aktionspotenzial reaktivieren und somit auch die Erinnerung wiederbeleben. Die Synapse wartet sozusagen, bis das Signal anklopft – "Hat gerade jemand angerufen?" –, um die Türen für den Transmitter zu öffnen. Das Modell zeigt einen entscheidenden Vorteil: Indem die Information zeitweise in Synapsen gespeichert vorliegt, kann die Nervenzelle eine Menge Energie sparen, die ansonsten in ständigen Aktionspotenzialen verloren gehen würde.

Was jedoch, wenn eine Information aus mehreren Parametern besteht, die sich in verschiedenen Synapsenköpfchen des Arbeitsgedächtnisses aufhalten, ohne kommunizieren zu können? Die verschiedenen Erinnerungsnetze müssten in Kontakt treten, gibt der Wissenschaftler Stefano Fusi von der Columbia Universität in New York zu Bedenken [3]. Für diesen Fall bedarf es eines weiteren Mechanismus, der erst noch gefunden werden muss.

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