Psychologie: Arbeitslosigkeit verändert die Persönlichkeit
Arbeitslosigkeit ist auf Dauer nicht nur belastend für viele Menschen – sie kann sogar die Persönlichkeit der Betroffenen verändern. Das untermauern auch die Ergebnisse einer Untersuchung, die Forscher um Christopher Boyce von der University of Stirling im »Journal of Applied Psychology« veröffentlichten. Die Wissenschaftler analysierten die Daten von mehr als 6700 erwachsenen Deutschen, die zwischen 2006 und 2009 zweimal einen Persönlichkeitstest absolviert hatten. 210 Studienteilnehmer waren in diesem Zeitraum ein bis vier Jahre lang arbeitslos, weitere 251 hatten kurze Zeit keinen Job, wurden dann aber wieder fündig.
Ihr Augenmerk legten Boyce und Kollegen auf die so genannten »Big Five« der Persönlichkeitsmerkmale: Neurotizismus, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Offenheit für neue Erfahrungen. Dabei entdeckten sie, dass Männer im ersten Jahr ohne Job besonders verträglich wurden, sich ihren Mitmenschen gegenüber also besonders mitfühlend, hilfsbereit und kooperativ zeigten – vermutlich, um die Chancen, schnell eine neue Stelle zu finden, zu erhöhen. Nach zwei Jahren wendete sich das Blatt allerdings, und die Probanden wurden als Langzeitarbeitslose insgesamt weniger verträglich. Bei den Probandinnen nahm die Verträglichkeit sogar mit jedem Jahr Arbeitslosigkeit stetig ab.
Ganz ähnliche Tendenzen zeigten sich auch im Hinblick auf die Gewissenhaftigkeit und die Offenheit der Versuchsteilnehmer. Vor allem Männer büßten hier immer mehr ein, je länger sie ohne feste Stelle blieben. Frauen zeigten sich dagegen zu Beginn und zum Ende ihrer Arbeitslosigkeit sogar gewissenhafter als zuvor, fielen dafür aber zwischendurch in ein tiefes Loch.
Damit werde deutlich, dass die Folgen von Arbeitslosigkeit für die Psyche möglicherweise noch gravierender sind als bisher angenommen, so Boyce. Nicht zuletzt könnten gerade diese Persönlichkeitsveränderungen dazu führen, dass viele Menschen ab einem gewissen Zeitpunkt Schwierigkeit haben, überhaupt wieder einen Job zu finden – und somit letztendlich eine gefährliche Abwärtsspirale auslösen.
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