Direkt zum Inhalt

News: Arbeitsmarktfaktoren weniger bedeutend als gedacht

Immer wieder taucht in Diskussionen um neue Standorte für Zweigbetriebe oder Investitionen im Ausland der Begriff 'Arbeitsmarktfaktoren' auf, zu dem unter anderem Lohnniveau und Arbeitsmarktregulierung gehören. Doch die Bedeutung dieser Faktoren ist bei Erstinvestitionen offenbar deutlich geringer als gedacht. Erst bei Folgeinvestitionen fallen sie merklich ins Gewicht.
Deutschland gilt oft als Land, das sich schwer tut, ausländische Unternehmen für eine Ansiedlung zu gewinnen. Für Großbritannien wird genau das Gegenteil behauptet. Begründet wird diese "Musterrolle" zumeist mit den dort niedrigeren Löhnen und der geringeren Regulierung des Arbeitsmarktes. Doch wieviel zählen die Arbeitsmarktfaktoren wirklich für die Entscheidung eines Unternehmens, in dem jeweiligen Land zu investieren?

Weniger als gedacht, zeigt das Ergebnis einer Befragung, die das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung e.V. gemeinsam mit dem European Policies Research Centre in Glasgow durchführte. Befragt wurden Unternehmen aus der Automobil- und der Chemischen Industrie, die über Fabrikationsstätten sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland verfügen.

Aus der Sicht von Unternehmen, die in Deutschland und in Großbritannien Direktinvestitionen vorgenommen haben, sind die Unterschiede zwischen den Investitionsstandorten offenbar keineswegs derart ausgeprägt, wie es angesichts der unterschiedlichen öffentlichen Wahrnehmung zu erwarten wäre. Jedenfalls differieren die geäußerten Motive für die Investitionsentscheidung erstaunlich wenig. Sowohl ausländische Investitionen in Deutschland als auch in Großbritannien wurden überwiegend von dem Wunsch nach Zugang zum Markt des betreffenden Landes geprägt. Andere Motive, und so auch Löhne und Unterschiede in der Arbeitsmarktregulierung, spielten hingegen bei der ursprünglichen Investitionsentscheidung eine untergeordnete Rolle.

Allerdings weist die Befragung auf deutliche Unterschiede zwischen den Motiven der Anfangsinvestition und von möglichen Folgeinvestitionen hin. Bei letzteren, die aus einer Situation heraus getroffen werden, in der der Marktzugang bereits erreicht ist, erlangen die genannten Arbeitsmarktfaktoren eine deutlich größere Bedeutung. Folgeinvestitionen werden übrigens in den einschlägigen Statistiken nur unzureichende erfasst, da sie häufig durch Bankkredite und seltener durch Zahlungen der Muttergesellschaft – nur diese zählen zu den Direktinvestitionen – finanziert werden. Dies dürfte erklären, weshalb es in gesamtwirtschaftlichen Analysen häufig nicht gelingt, einen Einfluss der Löhne auf die Direktinvestitionen nachzuweisen.

Eine Besonderheit der Studie liegt darin, dass sie die Motive der Direktinvestitionen sowohl aus der Perspektive der Konzernzentralen als auch der Niederlassungen im Ausland beleuchtet. Dabei zeigen sich zum Teil deutliche Unterschiede in der Einschätzung. Offensichtlich werden die Entscheidungen in den Zentralen unter Erwägung eines weitaus breiteren Spektrums von Determinanten gefällt, als dies den Niederlassungen bewusst ist, wobei durchaus auch sprachliche und kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Was die Folgeinvestitionen angeht, so halten ausländische Niederlassungen ihre Vor- und Nachteile aufgrund von Lohnkosten und der Arbeitsmarktregulierung für bedeutsamer als die Konzernzentralen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.