Geometrie: Archimedische Vorläufer
Fresken von beeindruckender Schönheit hat die minoische Kultur auf Kreta und Santorin der staunenden Nachwelt hinterlassen. Doch die bronzezeitlichen Minoer zeigten sich nicht nur als begnadete Künstler. Sie verstanden offensichtlich auch etwas von Mathematik.
"Störe meine Kreise nicht!", soll Archimedes dem römischen Soldaten zugerufen haben, als dieser es wagte, die geometrischen Studien des berühmten Griechen zu unterbrechen. Doch der Römer zeigte wenig Verständnis für Geometrie – und erschlug ihn.
Geometrie hatte es Archimedes, der bereits ein numerisches Verfahren zur Ermittlung der Kreiszahl Pi ersann, besonders angetan. So trägt ebenfalls die schlicht erscheinende archimedische Spirale seinen Namen, die durch den gleichmäßigen Abstand der Spiraläste gekennzeichnet ist. Mathematisch ausgedrückt wächst der Radius r linear mit zunehmenden Umlaufwinkel t:
r = a t
Anschaulicher ist vermutlich die Vorstellung eines aufgewickelten, gleichmäßig dicken Teppichs.
Die archimedische Spirale mag einfach aussehen, doch der Versuch, sie freihändig zu zeichnen, offenbart ihre Tücken. In der Natur trifft man eher selten auf dieses Konstrukt; meist sind hier logarithmische Spiralen mit wachsenden Abstand der Äste verwirklicht, wie dies beispielsweise Schneckenhäuser anschaulich demonstrieren. Archimedes galt daher bisher als der Erste, der die nach ihm benannte Figur entdeckte.
Doch dies könnte ein Irrtum sein, wie sich in der Ägäis zeigte. Hier, beim Dorf Akrotiri auf der Insel Santorin, stieß der griechische Archäologe Spyridon Marinatos im Jahr 1967 auf eine bronzezeitliche Siedlung, die inzwischen Weltruf genießt. Die Minoer, die auf der etwa 110 Kilometer südlich gelegenen Insel Kreta die erste Hochkultur Europas geschaffen hatten, besaßen auf Santorin einen Außenposten, der durch den Ausbruchs des gleichnamigen Vulkans um 1650 v. Chr. ein dramatisches Ende fand – und damit für die Nachwelt unter Vulkanasche konserviert wurde.
Nur einen Bruchteil der minoischen Stadt Akrotiri konnten die Archäologen unter der Leitung von Christos Doumas von der Universität Athen bisher freilegen. Doch was sie fanden, zeigte die vor dreieinhalb Jahrtausenden untergegangen Kultur als blühendes Gemeinwesen. Insbesondere die zahlreichen Fresken, mit denen sie ihre Häuser schmückten, beeindrucken durch ihre Schönheit und Detailtreue.
In einem Gebäude, genannt "Xeste 3", entdeckten die Forscher neben naturalistischen Darstellungen von Menschen, Tieren und Pflanzen auch Fresken mit geometrischen Figuren – darunter 32 Zentimeter große Spiralen.
Das Ergebnis: Es handelt sich um nahezu perfekte archimedische Spiralen, die nur Bruchteile von einem Millimeter von der mathematischen Vorschrift abweichen. Freihändig können die Figuren nach Ansicht des Forschers nicht gezeichnet worden sein. Die Minoer müssten demnach Schablonen verwendet haben, deren Konstruktion allerdings rätselhaft bleibt.
Vielleicht, so vermutet Papaodysseus, konnten sich die minoischen Geometer mit konzentrischen Kreisen, die von regelmäßigen Radien geschnitten werden, dem mathematischen Ideal annähern: Verbindet man die Schnittpunkte möglichst vieler Radien mit den größer werdenden Kreisen, lässt sich eine archimedische Spirale konstruieren. In einer wahren Fleißarbeit hatten die Minoer hierfür wohl jeden Kreis in 48 Sektoren aufgeteilt.
"Hier zeigt sich der früheste Zeitpunkt, an dem solch hochentwickelte geometrische Figuren erkannt worden sind", meint Papaodysseus. "Die nächsten derartigen Formen erscheinen erst 1300 Jahre später" – als Archimedes seine Kreise in den Sand von Syrakus malte.
Nun darf man vom militärischen Personal wohl nicht einen besonders ausgeprägten mathematischen Sinn erwarten, und vermutlich waren die Römer, die im Jahr 212 v. Chr. Archimedes' Heimatstadt Syrakus erobert hatten, von dessen Kampfmaschinen auch wenig begeistert. Dem unsterblichen Ruhm schadete das gewaltsame Ende des Mathematikers, Physikers und Ingenieurs zumindest nicht. Sein Name bleibt verewigt im archimedischen Prinzip zum Auftrieb schwimmender Körper, in der archimedischen Schraube – eine rotierende Schnecke, die Wasser nach oben befördert – oder auch im archimedischen Punkt des Hebelgesetzes.
Geometrie hatte es Archimedes, der bereits ein numerisches Verfahren zur Ermittlung der Kreiszahl Pi ersann, besonders angetan. So trägt ebenfalls die schlicht erscheinende archimedische Spirale seinen Namen, die durch den gleichmäßigen Abstand der Spiraläste gekennzeichnet ist. Mathematisch ausgedrückt wächst der Radius r linear mit zunehmenden Umlaufwinkel t:
r = a t
Anschaulicher ist vermutlich die Vorstellung eines aufgewickelten, gleichmäßig dicken Teppichs.
Die archimedische Spirale mag einfach aussehen, doch der Versuch, sie freihändig zu zeichnen, offenbart ihre Tücken. In der Natur trifft man eher selten auf dieses Konstrukt; meist sind hier logarithmische Spiralen mit wachsenden Abstand der Äste verwirklicht, wie dies beispielsweise Schneckenhäuser anschaulich demonstrieren. Archimedes galt daher bisher als der Erste, der die nach ihm benannte Figur entdeckte.
Doch dies könnte ein Irrtum sein, wie sich in der Ägäis zeigte. Hier, beim Dorf Akrotiri auf der Insel Santorin, stieß der griechische Archäologe Spyridon Marinatos im Jahr 1967 auf eine bronzezeitliche Siedlung, die inzwischen Weltruf genießt. Die Minoer, die auf der etwa 110 Kilometer südlich gelegenen Insel Kreta die erste Hochkultur Europas geschaffen hatten, besaßen auf Santorin einen Außenposten, der durch den Ausbruchs des gleichnamigen Vulkans um 1650 v. Chr. ein dramatisches Ende fand – und damit für die Nachwelt unter Vulkanasche konserviert wurde.
Nur einen Bruchteil der minoischen Stadt Akrotiri konnten die Archäologen unter der Leitung von Christos Doumas von der Universität Athen bisher freilegen. Doch was sie fanden, zeigte die vor dreieinhalb Jahrtausenden untergegangen Kultur als blühendes Gemeinwesen. Insbesondere die zahlreichen Fresken, mit denen sie ihre Häuser schmückten, beeindrucken durch ihre Schönheit und Detailtreue.
In einem Gebäude, genannt "Xeste 3", entdeckten die Forscher neben naturalistischen Darstellungen von Menschen, Tieren und Pflanzen auch Fresken mit geometrischen Figuren – darunter 32 Zentimeter große Spiralen.
"Die nächsten derartigen Figuren erscheinen erst 1300 Jahre später"
(Konstantinos Papaodysseus)
Bisher schenkten die Archäologen diesen Fresken nur wenig Beachtung, doch der Computer-Spezialist Konstantinos Papaodysseus von der technischen Universität Athen hat sie jetzt genau vermessen. (Konstantinos Papaodysseus)
Das Ergebnis: Es handelt sich um nahezu perfekte archimedische Spiralen, die nur Bruchteile von einem Millimeter von der mathematischen Vorschrift abweichen. Freihändig können die Figuren nach Ansicht des Forschers nicht gezeichnet worden sein. Die Minoer müssten demnach Schablonen verwendet haben, deren Konstruktion allerdings rätselhaft bleibt.
Vielleicht, so vermutet Papaodysseus, konnten sich die minoischen Geometer mit konzentrischen Kreisen, die von regelmäßigen Radien geschnitten werden, dem mathematischen Ideal annähern: Verbindet man die Schnittpunkte möglichst vieler Radien mit den größer werdenden Kreisen, lässt sich eine archimedische Spirale konstruieren. In einer wahren Fleißarbeit hatten die Minoer hierfür wohl jeden Kreis in 48 Sektoren aufgeteilt.
"Hier zeigt sich der früheste Zeitpunkt, an dem solch hochentwickelte geometrische Figuren erkannt worden sind", meint Papaodysseus. "Die nächsten derartigen Formen erscheinen erst 1300 Jahre später" – als Archimedes seine Kreise in den Sand von Syrakus malte.
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