Arktis: Große Reise für einen kleinen Hasen
Hasen leben normalerweise in ihrem kleinen, gewohnten Revier und verlassen dieses nur selten – mit einer Ausnahme: Polarhasen (Lepus arcticus) unternehmen tatsächlich ausgedehnte Wanderungen in ihrer arktischen Heimat: eine große Reise voller Gefahren. Das zeigen die Daten, die Dominique Berteaux von der Université du Québec à Rimouski und sein Team mit Hilfe von satellitengestützten Peilsendern auf Ellesmere Island in der kanadischen Arktis gesammelt und in »Ecology« veröffentlicht haben.
Zwischen 113 und 310 Kilometer legten die 25 besenderten Tiere dabei zurück. Ein als BBYY bezeichnetes Weibchen brachte es sogar auf 388 Kilometer in 49 Tagen. Kein anderer bekannter Hase hat bislang eine längere Reise unternommen. Die rund vier Kilogramm schweren Tiere müssen dabei ständig auf der Hut sein, denn Polarfüchse und Wölfe erlegen gerne diese Beute. Und die harschen Bedingungen des arktischen Winters erschweren die Nahrungssuche zusätzlich.
Auch BBYY starb aus unbekannten Gründen, rund einen Monat nachdem sie ihr Ziel erreicht hatte. Es ist allerdings nicht das erste außergewöhnliche Verhalten, das bei Hasenartigen in den letzten Jahren entdeckt wurde. Die nahe verwandten Schneeschuhhasen (Lepus americanus) fressen in Notzeiten beispielsweise Aas, um über den Winter zu kommen. Bilder von Kamerafallen zeigten verschiedene Schneeschuhhasen, die im tiefen Winter an den Kadavern von Artgenossen, Raufußhühnern, Tauchern (eine Vogelfamilie) und sogar an den Überresten eines Luchses nagten – die Katzen gehören in lebendem Zustand zu den wichtigsten Fressfeinden der Hasen.
Viele arktische Tierarten unternehmen lange Wanderungen, um neue Reviere zu besetzen oder Nahrung zu finden. Eine mit einem GPS-Sender versehene Polarfüchsin etwa wanderte 2018 von Europa über das arktische Eis bis nach Amerika: 3500 Kilometer in 76 Tagen. Wegen des dramatischen Meereisschwundes im Nordpolarmeer werden derartige Wanderungen allerdings riskanter.
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