Arktis: Rekordverdächtiger Wetterumschwung brachte Rekordverschmutzung
Während der MOSAIC-Expedition des deutschen Forschungsschiffs »Polarstern« im Winter 2019/20 wurden die Beteiligten Zeugen eines besonderen Wetterphänomens in der Arktis. Innerhalb weniger Tage vom 14. bis zum 17. April 2020 erlebten sie einen bemerkenswerten Wärmeeinbruch, der die Temperaturen von minus 30,8 Grad Celsius fast bis zum Gefrierpunkt ansteigen ließ. Nie zuvor seit Beginn moderner Aufzeichnungen zu Beginn der 1980er Jahre hatten Wissenschaftler in der zentralen Arktis einen ähnlich starken Anstieg beobachtet. Doch das war nicht das einzige bemerkenswerte Ereignis, das in diesen Tagen stattfand und von den zahlreichen Messinstrumenten an Bord des Eisbrechers erfasst wurde, berichten Lubna Dada vom Paul Scherrer Institut im schweizerischen Villigen und ihr Team in »Nature Communications«.
Mit dem außergewöhnlichen Warmluftvorstoß verwandelte sich die zuvor sehr reine Luft über der Arktis in eine stark verschmutzte Atmosphäre. Die Luftströmung brachte große Mengen an Aerosolen aus Osteuropa und dem nordwestlichen Russland in die Region, darunter auch viele Partikel, die zur Wolkenbildung beitragen und so das Wetter in der Arktis beeinflussen können. »Wir wussten bereits aus den Wettervorhersagen, dass eine warme Luftmasse kommen würde«, sagt die an der Studie beteiligte Wissenschaftlerin Julia Schmale von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne: »Das tritt in der Region regelmäßig auf. Aber als wir uns die Verschmutzungsdaten ansahen, bemerkten wir etwas, das wir noch nie zuvor gesehen hatten.«
Die Werte der Luftverschmutzung übertrafen in diesem Zeitraum sogar Vergleichsdaten von Zürich und damit einer europäischen Großstadt – obwohl sich die Expedition tausende Kilometer entfernt von größeren Städten oder Industrieanlagen befand. Im Gegensatz zur Luft in der Schweizer Metropole lagen die Säurekonzentrationen in der Arktis deutlich höher, dafür fand sich weniger Nitrat.
Eine Analyse der Radardaten aus dem Zeitraum zeigte, dass die Aerosole als starke Kondensationskeime wirkten: Es bildeten sich dichte Wolken, die wiederum die unteren Luftschichten zusätzlich aufheizten – sie verhinderten die Wärmeabstrahlung ins All. »Schmutzige« Warmlufteinbrüche können also die Strahlungsbilanz deutlich verändern. Derartige Ereignisse häufen sich wegen des Klimawandels und dauern inzwischen länger an als vor wenigen Jahrzehnten: Die Arktis erwärmt sich seit 1979 viermal schneller als der Rest des Planeten.
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