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RNA-Editing: Arktische Kraken justieren Nerven mit genetischen Tricks

Antarktischer Krake

Der Bauplan "Krake" ist erstaunlich anpassungsfähig: Verschiedene Spezies des achtarmigen Weichtiers leben im dauerwarmen Tropenwasser genauso wie in der eisigen Arktis. Um in derart unterschiedlichen Klimaten zurechtzukommen, ist allerdings allerlei genetische Feinabstimmung notwendig, berichten nun Sandra Garret und Joshua Rosenthal von der University of Puerto Rico. Besonders flexibel passen die Kraken dabei ihre Nervenfunktionen an die Umgebungstemperatur an.

Antarktischer Krake | Diese bisher unbekannte farblose Krakenart entdeckten Forscher vor kurzem in der Antarktischen See – rund 2400 Meter unter dem Meeresspiegel. In diesen Breitengraden sinkt die Wassertemperatur auf knapp zwei Grad Celsius; die psychrophilen Tiere die hier leben benötigen besondere physiologische und biochemische Anpassungen.

Bei extrem kälteliebenden Krakengattungen müssen die Neuronen auch bei knapp zwei Grad Celsius Informationen ebenso gut weiterleiten wie die Nerven von wärmeliebenden Spezies. Eine Anpassung an die kalte Umgebungstemperatur ist dabei insbesondere bei den Kanalproteinen notwendig: Sie leiten Nervensignale in Form von Aktionspotenzialen weiter, indem sie Ionen im richtigen Augenblick in die Neuronen hinein und aus ihnen heraus strömen lassen. Dieser Prozess ist zeitkritisch – arbeiten die Proteinkanäle in der Kälte zu langsam, funktioniert das Nervenleitung nicht.

Forscher hatten daher bislang angenommen, dass die Gene kälteliebende Krakenarten im Laufe der Evolution mutiert sind, um nun weniger kältesensitive Kanäle zu kodieren. Dies ist aber nicht der Fall, so Garret und Rosenthal – die Gene der verschiedenen Arten sind fast identisch. Stattdessen editieren aber sowohl arktische als auch antarktische Kraken die von den entscheidenden Genen abgelesene Boten-RNA intensiv. Diese posttranskriptionale RNA-Modifikation findet bei tropischen Spezies dagegen nicht in diesem Ausmaß statt, ermittelten die Forscher aus Puerto Rico.

Im Detail sorgt das RNA-Editing für veränderte temperatursensitive Kaliumkanäle in den Neuronen. So resultiert vor allem der Austausch eines Isoleucin- gegen ein Leucin-Kodon in der mRNA dafür, dass offene Kaliumkanäle schneller wieder in einen geschlossenen Zustand umklappen. Ohne diese Veränderung würden Aktionspotenziale in der Kälte zu lange andauern, was die Feuergeschwindigkeit und damit die Reizweiterleitung stark beeinträchtigen würde.

Noch ist unklar, ob die kälteliebenden Arten den RNA-Editier-Trick im Laufe der Evolution graduell in Anpassung an ihr Habitat angeeignet haben – oder ob sogar einzelne Kraken sich so flexibel an drastisch wechselnde Umweltbedingungen anpassen könnten.

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