Paläoarktische Jäger: Arktische Waljagd schon in grauer Vorzeit
Der eisige Norden Amerikas war als Einwanderungsziel schon immer beliebter, als man annehmen könnte: Genanalysen zeigten bereits, dass sich in den letzten 6000 Jahren ganz unterschiedliche Zuwanderer gleich in vier Wellen von Sibirien aus aufgemacht hatten, die Weiten zwischen Alaska und Grönland zu besiedeln. Zwar finden sich nur in der modernsten Gruppe, bei den Trägern der Thule-Kultur, die direkten genetischen Vorfahren der heutigen Inuit – aber auch die weit älteren, später verschwundenen Paläo-Eskimos sollten mitberücksichtigt werden, wie DNA-Analysen an archäologischen Fundstätten nun zeigen. Sie belegen etwa, dass auch die ersten Siedler Grönlands schon Walfleisch aßen und die Tiere womöglich sogar erjagten.
Zu diesem Schluss kommt ein Team von Archäologen um Frederik Seersholm von der Universität in Kopenhagen. Zuvor galt es als wahrscheinlich, dass erst die vor rund einem Jahrtausend in Grönland heimischen Thule-Menschen Wale erbeuteten, während bei Ausgrabungen von Paläo-Eskimo-Kulturen wie der ältesten Saqqaq-Kultur weder Reste von Walknochen noch von den notwendigen Jagdwaffen entdeckt wurden. Auch Seersholms Team fand nun zwar keine Knochenreste großer Meeressäuger, durchaus aber DNA-Fragmente von Grönlandwalen, Karibus und Walrossen in bis zu 4000 Jahre alten Schichten unter paläoarktischen Siedlungsspuren. Schon die alten Saqqaq hatten demnach wohl größere Jagdbeute regelmäßig auf dem Speisezettel.
Knochen der Jagdbeute fehlen vor Ort immer. Dies könnte bedeuten, dass die Paläo-Eskimos Wal- oder Walrossfleisch direkt nach einer erfolgreichen Jagd zerlegten und nur den wertvollen Walblubber, das Fleisch oder die Felle nach Hause brachten. Vielleicht sammelten die Menschen auch regelmäßig Reste von gestrandeten Walkadavern, die zu Zeiten der Paläo-Eskimos wahrscheinlich deutlich häufiger anfielen als heute.
Hinweise auf jagdtaugliche Harpunen und Boote sind jedenfalls deutlich jünger: Die ältesten Umiak-Boote zur Waljagd wurden zwischen 1200 und 1400 n. Chr. von den Thule-Menschen eingeführt; die frühere Dorset-Kultur jagte vor allem Robben mit kleineren Harpunen. Aus der Zeit der Saqqaq hat man bisher nur eine einzige Jagdwaffe gefunden, die auch größeren Tieren hätte gefährlich werden können – eine knapp 17 Zentimeter lange Harpune. Vielleicht, so spekulieren die Forscher nun, gingen die Saqqaq aber auch ohne größere Walfängerboote beziehungsweise Harpunen wie die der späteren Thule-Menschen auf Walfang. Sie könnten etwa kleinere Kajaks und Fangleinen eingesetzt haben, um die langsam schwimmenden Grönlandwale zu erlegen: Dies praktizierte etwa noch im 18. Jahrhundert das aleutische Fischervolk der Unangan in der Beringstraße. Die Unangan versahen zudem ihre kleinen Lanzen mit Pflanzengift aus Eisenhutgewächsen und verfolgten verwundete Tiere, bis diese starben. Saqqaq-Jäger könnten vielleicht auf ähnliche Weise Lanzen mit vergammelten Fleischresten als Biowaffen eingesetzt haben, spekulieren die Forscher.
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