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Klimawandel: Artenaustausch in der Nordsee

Wenn Temperatur und Salzgehalt steigen, fliehen die bodennah lebenden heimischen Arten aus ihrem aktuellen Lebensraum. Mehr als 60 Prozent sollen bis 2099 umsiedeln. Sie werden durch neu einwandernde Tiere ersetzt.
Seestern <em>Ophiotrix fragilis</em>

Der Klimawandel könnte Wanderungsbewegungen bei Tieren auslösen. Das ist nur eine der vielen oft unterschätzten Konsequenzen des Phänomens. Forscher um Michael Weinert von Senckenberg am Meer, einer Außenstelle des Frankfurter Senckenberg-Museums, haben nun ein Modell vorgestellt, das zeigt, wie das sich verändernde Klima auf die Tierwelt in der Nordsee wirken könnte. Wenn Wassertemperatur und Salzgehalt den zu Grunde liegenden Prognosen entsprechend weiter steigen, könnten laut den Berechnungen der Forscher mehr als 60 Prozent der bodenlebenden heimischen Fauna ihren aktuellen Lebensraum in der Nordsee verlassen. Etwa zwei Drittel der untersuchten Tiere ziehe es dann nach Norden, ein Drittel wandere südwärts. Die frei werdenden Lebensräume könnten künftig einwandernde Arten besetzen.

Die Modelldaten für Wassertemperatur und Salzgehalt der Nordsee basieren auf dem Szenario A1B des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Das Modell geht von einer Erhöhung der Wassertemperatur zwischen 0,15 und 5,4 Grad Celsius aus. Der Salzgehalt nehme um durchschnittlich 1,7 Prozent zu. Die Forscher haben die IPCC-Daten mit eigenen Langzeitmessreihen aus der Nordsee abgeglichen. Die durchschnittliche Wintertemperatur des Meers hat sich in den letzten 25 Jahren um etwa 1,6 Grad erhöht – im Jahr 2015 gab es einen Wärmerekord.

Die Autoren der Studie erklären, sie hätten Arten ausgewählt, die entweder zur typischen Nordseefauna gehören, wie etwa die Nordseekrabbe Crangon crangon, und schon heute bedroht sind oder solche, die eine bedeutende Aufgabe im Ökosystem Nordsee erfüllen. Für 49 der 75 untersuchten Benthos-Arten, also solchen, die im Boden oder bodennah leben, bedeute die Veränderung den Verlust ihres Lebensraums. Zwar würden sich die meisten Arten innerhalb der Nordsee neu ansiedeln. Doch in der deutschen Bucht und der südlichen Nordsee werde es einen "massiven Verlust der heimischen Fauna und wichtiger 'Ökosystem-Ingenieure' geben", so Weinert.

Mit diesen Ökosystem-Ingenieuren sind Tiere gemeint, die durch ihre Gegenwart die Umgebung ökologisch stabilisieren, beispielsweise indem sie das Sediment durchwühlen und auf diese Weise auflockern, organisches Material abbauen oder den Sauerstoffgehalt des Meers erhöhen. Um Schutz- und Managementmaßnahmen ergreifen zu können, sei es essenziell, die Auswirkungen der Klimaänderungen auf die Nordseefauna zu kennen, geben die Forscher zu bedenken.

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