Artenschutz: Erste Schnecke erfolgreich ausgewildert
Die Schnecken der Gattung Partula sind ein Musterbeispiel der Evolution – und des Artensterbens. Ausgehend von einem gemeinsamen Vorfahren spalteten sich diese Weichtiere auf den polynesischen Inseln in zahlreiche Arten auf, bevor eine eingeschleppte, räuberische Schnecke sie im wahrsten Sinne auffraß. Dank schnellen Handelns konnten jedoch von einigen Partula-Spezies Tiere gerade noch rechtzeitig eingesammelt und in Zoos nachgezüchtet werden. Ihre Nachkommen wurden 2024 auf der Pazifikinsel frei gelassen, wo sie sich inzwischen erfolgreich fortgepflanzt haben, wie ein Team um Justin Gerlach von der University of Cambridge erfreut berichtet.
Insgesamt 6000 Schnecken hatten Gerlach und Co in verschiedenen Zuchtstationen eingesammelt und nach Französisch-Polynesien verfrachtet und sie auf die Inseln Moorea, Tahiti und Huahine gebracht. Bevor sie die Tiere aussetzten, markierten die Wissenschaftler jedes einzelne Gehäuse mit einem roten Punkt, der unter UV-Licht aufleuchtet. Damit lassen sich die nachtaktiven Tiere im Dunkeln leichter ausfindig machen, wenn die Forscher mit Taschenlampen in der dichten Vegetation unterwegs sind.
Während einer Nachsuche stießen Helfer jedoch auf Jungschnecken ohne Markierung: ein sicheres Zeichen dafür, dass sie sich in der Natur fortgepflanzt haben – und ein wichtiger Schritt, wenn es darum geht, die Schnecken wieder in ihrem Ökosystem zu etablieren. »Die Entdeckung der ausgewachsenen Schnecken in der Natur war ein großer Moment. Nur sehr wenige Tierarten konnten in freier Wildbahn wiederangesiedelt werden, so dass dies ein fantastischer Erfolg für das Programm ist – die Frucht enormer Arbeit«, freut sich Gerlach. Erstmals überhaupt gelang dies bei einem Weichtier.
Gekrönt wurde damit eine langjährige Arbeit. In den 1980er und 1990er Jahren hatte man in Französisch-Polynesien die Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea) aus Nordamerika eingeführt. Als räuberische Landschnecke sollte sie die eingeschleppten afrikanischen Großen Achatschnecke (Lissachatina fulica) bekämpfen, die eigentlich als menschliche Nahrung dienen sollte, aber auch schwere Ernteschäden verursachte. Doch statt diese zu bekämpfen, bevorzugten die Wolfsschnecken die kleineren, zarteren Partula-Arten.
Deren Bestände schwanden drastisch, so dass sich die Zoos in London und Edinburgh Anfang der 1990er entschieden, zu retten, was noch zu retten war. Insgesamt konnten Tiere aus 15 Arten und Unterarten in Terrarien überführt und dort nachgezüchtet werden, während ihre wild lebenden Verwandten bald völlig verschwunden waren. Nur wenige Spezies entkamen auf Dauer ihren Jägern – eine Art beispielsweise, weil sie so hell war, dass sie leichter in der Sonne überlebte, wohin sich die Wolfsschnecken nicht trauen. Von den ursprünglich 61 Arten der Region überdauerten lediglich sechs in der Natur.
Ab 2014 begann dann der Rücktransport der Partula-Schnecken in eigens geschaffene Reservate, aus denen zuvor alle Wolfsschnecken entfernt worden waren. Seitdem hat das Team mehr als 30 000 Schnecken von zehn Arten in den östlichen Pazifik geflogen und dort ausgesetzt. »Diese Schnecken sind zwar klein, haben aber einen großen kulturellen, wissenschaftlichen und naturschutzfachlichen Wert. Partula-Schnecken waren schon immer Teil des reichen kulturellen Erbes Polynesiens und spielen eine wichtige Rolle für die ökologische Gesundheit ihrer Waldlebensräume«, sagt der leitende Kurator für Weichtiere des Londoner Zoos Paul Pearce-Kelly. Zumindest ein Teil der früher vorhandenen Arten soll diese Rolle wieder einnehmen.
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