Artenschutz: Pestizidbaumwolle soll Darwinfinken retten
Der Mangroven-Darwinfink (Camarhynchus heliobates) gehört zu den am stärksten bedrohten Vogelarten der Erde – und zu einer für die Erforschung der Evolutionstheorie bedeutenden Familie. Schließlich haben sich er und seine Verwandten nahezu perfekt an die verschiedenen ökologischen Nischen der Galapagosinseln angepasst und unter anderem jeweils typische Schnabelformen entwickelt. Diese Entwicklung schützt sie jedoch nicht vor invasiven Insektenarten, deren Larven in den Nestern die Küken parasitieren und so den Bruterfolg drastisch schmälern. Deshalb wollen Biologen um Dale Clayton von der University of Utah in Salt Lake City den Finken Hilfe zur Selbsthilfe bieten.
Die erst vor wenigen Jahren vom Festland eingeschleppte Nestfliege Philornis downsi findet sich mittlerweile praktisch auf allen Galapagosinseln und belagert dort die Gelege sämtlicher Landvogelarten. Sobald die Vögel ihre Eier legen, setzt die Fliege ihr eigenes Gelege darauf ab, und die daraus schlüpfenden Larven saugen anschließend Blut von Küken und erwachsenen Tieren. Oft sind die Nester so stark befallen, dass die Jungtiere diese Schwächung nicht überleben. "In manchen Jahren sterben deshalb fast 100 Prozent der Darwinfinkenküken", so die an der Studie beteiligte Biologin Sarah Knutie von der University of Utah. Langfristig bedroht dies womöglich fast alle Vogelarten der Inseln, die bislang keine Abwehrstrategie gegen die für sie neue Art entwickelt haben. Den Mangroven-Darwinfinken mit weniger als 100 überlebenden Exemplaren und die nur auf Floreana beheimateten Mittleren Grundfinken(Geospiza fortis) mit rund 1600 Individuen droht dagegen schon bald das Aus.
Hilfe zur Selbsthilfe für bedrohte Arten
Clayton und Co wollen den Finken daher mit Pestiziden getränkte Baumwollbüschel als Nistmaterial anbieten, mit denen die Tiere ihr Nest auspolstern und damit von Parasiten befreien können. Das eingesetzte Permethrin schadet den Vögeln nicht, tötet aber zuverlässig diese Insekten und andere Schädlinge ab: Es beinhaltet den gleichen Wirkstoff, der auch in Läuse- und Krätzmilbenmitteln eingesetzt wird. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass eine einprozentige Permethrinlösung in den entsprechend bedampften Nestern zuverlässig alle Fliegenmaden abtötet. Und zufällige Beobachtungen vor Ort hatten gezeigt, dass die Vögel gerne Baumwollfasern von Kleidung aufnehmen, die zum Trocknen aufgehängt wurde. Knutie kam deshalb auf die Idee, mit dem Gift präparierte Baumwolle in speziellen Spendern anzubieten, was die Finken gerne annahmen.
Insgesamt stellten die Biologen auf Santa Cruz 30 Spender auf, deren Baumwolle entweder mit dem Pestizid oder nur mit Wasser behandelt worden war (um sie auseinanderhalten zu können, besaßen sie unterschiedliche Konsistenz), und überprüften nach der Brutzeit die Nistplätze. Insgesamt wiesen 85 Prozent der gefundenen Nester Baumwolle auf; der Großteil davon wiederum mit Permethrin behandelt. Sobald im Nest mehr als ein Gramm Permethrin vorhanden war, entwickelten sich darin größtenteils keine Parasiten mehr – mit einer Ausnahme, bei der die Forscher jedoch ebenfalls nur vier statt der durchschnittlich 30 Fliegenlarven zählten. In einem zweiten Versuch besprühten sie 20 Nester mit dem Gift: Aus 19 flog mindestens ein Jungvogel aus, während nur 11 von 17 Kontrollnestern ohne Schädlingsbekämpfung ebenfalls erfolgreich waren.
Selbst wenn die Vögel nur wenig pestizidgetränkte Baumwolle einbauten, ließ sich ein Effekt nachweisen: Die Zahl der Fliegenlarven reduzierte sich im Schnitt um die Hälfte, und das erhöhte die Überlebenswahrscheinlichkeit für die Küken. Die Charles Darwin Research Station testet nun, ob sie diese Methode bereits zum Schutz der letzten Mangroven-Darwinfinken auf Isabela einsetzen soll. Und Knutie denkt schon weiter: "Auch viele andere Arten werden durch Parasiten bedroht. Die behandelte Baumwolle könnte ihnen helfen." Zum Einsatz kommen könnte sie beispielsweise bei den Kleidervögeln auf Hawaii oder nordamerikanischen Schwarzschwanz-Präriehunden(Cynomys ludovicianus), die in ihren Bauten durch pestübertragende Flöhe gefährdet werden.
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