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Artenschutz: Symbol der Zerstörung

Dämme und Umweltgifte - den Mekongdelfinen droht das Aus. Ihr Schicksal steht symbolisch für den Niedergang des Flusses.
Mekongdelfin
Ruhig gleitet das blaue Langboot über den gemächlich fließenden Mekong. Nur der Bootsführer und der einheimische Mitarbeiter Sochea von der Entwicklungshilfeorganisation Cambodian Rural Development Team (CRDT) sind mit an Bord. Trotz des niedrigen Wasserstands in der heißen Jahreszeit ist der Fluss in der Nähe des kambodschanischen Städtchens Sambor noch so ausladend, dass drei Inseln nebeneinanderpassen – darunter die 48 Kilometer lange und 2,5 Kilometer breite Koh Pdao.

Seltenes Bild | Ein Mekongdelfin springt aus den Fluten. Die auch Irawadidelfin (Orcaella brevirostris) genannte Art ist jedoch kein klassischer Flussdelfin wie jener aus dem Amazonas oder der wohl ausgestorbene Baiji aus dem Jangtse in China. So lebt der Irawadidelfin auch in Küstengewässern von Südostasien bis nach Australien. Er gilt aber vielerorts als gefährdet – vor allem, weil er sich häufig in Fischernetzen verfängt und ertrinkt. Am stärksten bedroht ist momentan die Teilpopulation im Mekong.
Die Stille ist gewaltig. Es gibt keinen Schiffsverkehr; die Ufer von Koh Pdao sind nur spärlich besiedelt. Der Bootsführer hat den Motor abgestellt. Das einzige Geräusch ist ein Schnaufen, ein Prusten. "Das sind die Delfine", sagt Sochea. Dann tauchen sie auf, die Mekongdelfine. Erst einer, dann ein zweiter und ein dritter. Außer der Rückenflosse und einem Stück des grauen Rückens selbst ist von den Tieren, deren rundliche Kopfform der eines Weißwals ähnelt, nichts zu sehen. So schnell, wie sie aufgetaucht sind, verschwinden sie auch wieder. Die etwa 2,30 Meter großen Delfine springen nicht akrobatisch in die Luft wie der Tümmler Flipper, sondern sind viel scheuer als ihre Artgenossen im Meer.

Die wasserlebenden Säuger sind im Mekong jedoch akut vom Aussterben bedroht. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten haben die Säugetiere zwischen Laos und dem Delta im Vietnam im ganzen Mekong gelebt. Die natürliche Grenze ihres Lebensraums bilden die Stromschnellen des Mekong in Laos gleich hinter der kambodschanischen Grenze, die für die Tiere unüberwindbar sind. Und selbst im Tonle Sap, Kambodschas größtem See mit Verbindung zum Mekong, waren sie zu Hause. Brutale Fischfangmethoden, Zersiedlung der Ufer im unteren Teil des Mekong wie auch Schießübungen der Roten Khmer, die Delfine als lebende Zielscheiben benutzten, haben den Tieren in weiten Teilen des Stroms mittlerweile den Garaus bereitet.

Letzte Zuflucht

Mekongdelfin | Vor allem der Nachwuchs der Delfine stirbt. Womöglich vergiftet Quecksilber aus dem Goldabbau die Muttermilch und schwächt dann das Immunsystem der gesäugten Jungtiere.
Heute existieren die Mekongdelfine nur noch in dem gut 190 Kilometer langen Teil zwischen der kambodschanischen Provinzstadt Kratie und der Grenze zu Laos. "Anders als in anderen Abschnitten des Flusses in Kambodscha ist dieser Teil noch ziemlich unberührt von menschlichen Aktivitäten", sagte Richard Zanre, Süsswasserexperte im Büro der Umweltorganisation WWF in Kratie. Aber Zanre weiß auch, dass sich diese für die Delfine vorteilhafte Situation gerade ändert. Die Abholzung von Wäldern, die Urbarmachung der Flussufer für die Bebauung und das Anlegen von Reisfeldern sowie intensiver Fischfang mit industriellen Methoden verändern die Ökostruktur der Mekongwelt. Das ist eine Belastung für die Delfine, deren Zahl mit nur noch 64 bis 76 Tieren sehr überschaubar geworden ist. Und selbst diese könnten spätestens in zehn Jahren verschwunden sein, sollten die zwei Staudämme in Kambodscha und die neun in Laos mit Hilfe von Geldgebern aus China und anderen asiatischen Ländern Wirklichkeit werden – und danach sieht es ganz aus.

Der WWF hat in einer jüngst veröffentlichten Untersuchung eine zusätzliche Gefahr für die letzten verbliebenen Delfine aufgedeckt, die sich von Krebstieren und Fischen ernähren: Krankheiten durch die Verschmutzung des Wassers mit Umweltgiften wie DDT oder PCB. Seit 2003 sind 88 Delfine gestorben – knapp zwei Drittel waren unter zwei Wochen alte Jungtiere. Die Experten des WWF haben bei der Hälfte der Babydelfine eine bakterielle Krankheit als Ursache für den Tod ausgemacht. "Diese Krankheiten wären nicht tödlich, wenn das Immunsystem nicht durch Umweltgifte geschwächt gewesen wäre", sagt WWF-Veterinär und Autor der Studie Verné Dove. Im Gehirn vieler Tiere seien zudem hohe Quecksilberkonzentrationen festgestellt worden. Das giftige Metall, das vermutlich aus Goldminen stamme, habe eine direkte Auswirkung auf das Immunsystem und mache die Tiere zusätzlich anfällig für Krankheiten.

Mekong | Sanft gleitet der Strom dahin: Der Mekong bildet die Lebensader und einen der wichtigsten Transportwege Südostasiens.
An der Vergiftung des Mekong sei nicht Kambodscha allein schuld, betont der WWF. Diese Gifte könnten aus allen Ländern stammen, durch die der Mekong fließt – also aus China, Birma, Laos und Thailand. Dove sagt: "Es wird dringend ein grenzüberschreitendes Gesundheitsprogramm benötigt, um die Krankheiten der Tiere in den Griff zu bekommen und die Zahl der jährlichen Todesfälle zu reduzieren." Das würde auch anderen Fischen und Tieren im und am Mekong das Leben leichter machen. Mit gut 1300 Fischarten – darunter Giganten wie der Riesenwels, der Süßwasserstachelrochen und die Riesenbarbe, die zu den größten Süßwasserfischen der Welt gehören – sowie zahllosen Vogel- und Reptilienspezies gehört der Mekong zu den fünf artenreichsten Flüssen der Welt. Und es werden immer noch neue Arten am und im Strom entdeckt.

Lebensader Südostasiens

Und dem WWF geht es um mehr als die Sicherung des Überlebens von Flora und Fauna. "Diese Gifte stellen auch ein Gesundheitsrisiko für die Menschen entlang dem Mekong dar, der die Lebensader des kontinentalen Südostasien mit Millionen von Menschen ist. 85 Prozent der Staatsfläche Kambodschas sind mit dem Mekong verbunden. Sein jährliches Hochwasser während der Regenzeit und nach der Schneeschmelze im Himalaja spült Nährstoffe auf die Reisfelder und Weiden für das Vieh. Er ist Einkommensquelle, Transportweg und Nahrungsmittellieferant.

Doch selbst ein grenzübergreifendes Umweltschutzprogramm würde keinen Schutz vor dem Verlust des letzten Habitats der Delfine durch die geplanten Staudämme bieten. "Wenn sie gebaut werden, blockieren die Dämme die Migration von Fischen und zerreißen diesen lebenswichtigen Fluss, von dem die Nahrungsmittelsicherheit und das Einkommen von Millionen von Menschen abhängen", warnte jüngst Save the Mekong, eine Koalition von Umweltorganisationen zum Schutz des Mekong.

Täglich Fisch | Im Mekong leben mehr als 1300 Fischarten – ein Reichtum, der nur vom Amazonas übertroffen wird. Unter anderem existiert der größte Süßwasserfisch – der Mekong-Riesenwels – im Fluss, der eine ergiebige Nahrungsquelle ist.
Kambodschas Regierung reagierte ungehalten auf die WWF-Studie wie auch auf die Kritik von Umweltschützern und Mekonganwohnern. Ein Sprecher der "Kommission zum Erhalt der Mekongflussdelfine und der Entwicklung von Ökotourismus" kanzelte gegenüber kambodschanischen Medien die WWF-Studie als "Lüge" ab und legte dem WWF nahe, "Kambodscha zu verlassen". Die Ökoprobleme durch die Dämme hingegen räumt die Regierung mit einem fröhlichen "Ein bisschen Schwund ist immer" ein. Das müsse man eben für eine Zukunft mit elektrischem Strom in Kauf nehmen.

Energie für die Menschen

Ohne Zweifel braucht Kambodscha Energie, denn derzeit muss das Land über die Hälfte seines Elektrizitätsbedarfs von 400 Megawatt aus Vietnam und Thailand importieren. Das ehrgeizige Ziel ist es, durch die Dämme am Mekong und in anderen ökologisch höchst sensiblen Teilen des Landes bis 2020 mindestens 2000 Megawatt selbst zu produzieren. Der Löwenanteil davon ist jedoch für den Export in die wirtschaftlich boomenden Nachbarländer bestimmt. Allein das Stromdefizit von Vietnam schätzen Experten für das Jahr 2020 auf 226 Millionen Kilowattstunden. Kambodscha verkauft seine Umwelt für den Nutzen anderer und für den Profit, so befürchten Nichtregierungsorganisationen (NGOs), es fülle nur die Taschen der korrupten Elite, während die Bauern und Fischer ihre Lebensgrundlage verlieren.

Selbst strikte Umweltschützer wollen den armen Kambodschanern die Segnung eines Lebens mit elektrischem Strom aus der Steckdose natürlich nicht vorenthalten. Carl Middleton, einer der Initiatoren der "Save the Mekong"-Koalition, kritisiert die Planung von gigantischen Staudämmen zur Energiegewinnung als Überbleibsel der "Je-größer-desto-besser-Geisteshaltung" aus dem letzten Jahrhundert. Moderne Konzepte hingegen würden auf kleine, dezentrale Einheiten zur Gewinnung erneuerbarer Energien setzen. Das geht und funktioniert, wie Sochea im Dorf Koh Pdao auf der gleichnamigen Insel nach der Delfintour zeigt. Das CRDT hat bereits einige Häuser mit einfachen Anlagen zur Gewinnung von Biogas aus organischen Abfällen ausgerüstet. Jetzt können die Dörfler mit Gas kochen und ihre bescheidenen Häuser nachts mit Gaslaternen erleuchten.

Bad | Ein Wasserbüffel sucht Abkühlung im Fluss. Jahrtausendelang lebten Strom und Menschen im Einklang, nun versuchen Ingenieure ihn in ein Korsett aus Staudämmen zu zwingen.
Der Bau des Damms in Sambor ist beschlossene Sache, und ebenfalls beschlossene Sache scheint es zu sein, sich von Umweltschützern und kritischen Entwicklungshilfeorganisationen das Geschäft nicht verderben zu lassen. "Der Provinzgouverneur von Kratie hat vor Kurzem die Bürgermeister angewiesen, Agenten in die hier arbeitenden Nichtregierungsorganisationen einzuschleusen, um so unmittelbar über unsere Aktivitäten auf dem Laufenden zu sein", sagt eine Irin, die für eine NGO in Kratie arbeitet und nicht genannt werden will. "Wir klären die Menschen hier über ihre Rechte auf. Das mögen die gar nicht." Die, das sind die Regierung und die allmächtige Regierungspartei CPP, die Kambodscha fest im Griff hat. Fast. "Wir wissen von dem Infiltrierungsplan. Denn einige Bürgermeister haben uns heimlich informiert."

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