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Artenschutz: Winzige Wespe rettet seltenen Vogel

Die Dickschnabel-Ammertangare lebt nur auf der kleinen Insel Nightingale und ist vom Aussterben bedroht. Schuld daran sind Schildläuse. Doch nun greift eine Schlupfwespe an.
Ein gelblichgrüner Singvogel mit kräftigem, dunklen Schnabel sitzt auf einem Zweig eines Gebüschs, auf dem helle Flechten wachsen. Der Vogel blickt nach rechts, er hat dünne Beine und Zehen mit kräftigen Zehen und Krallen.
Dickschnabel-Ammertangaren leben nur auf einem kleinen Eiland im Südatlantik, das zu Großbritannien gehört.

Die winzige, abgelegene Insel Nightingale im Südlichen Atlantik ist die einzige Heimat der Dickschnabel-Ammertangare (Nesospiza wilkinsi), einer der seltensten Vogelarten der Erde. Jahrtausendelang lebte und gedieh sie dort, trotz ihrer speziellen Nahrung und des eng begrenzten Lebensraums – bis wahrscheinlich Menschen dort Schildläuse einschleppten und die Futterpflanzen der Vögel vernichteten. Mit Hilfe von extrem kleinen Wespen wollen Ökologen die Plage in den Griff bekommen und erzielten bereits erste Erfolge, wie die am Rettungsprogramm beteiligte britische Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) meldete.

Mit ihren kräftigen Schnäbeln haben sich die Ammertangaren daran angepasst die harten Früchte der einzigen vorhandenen Baumart Phylica arborea zu knacken, um an die darin befindlichen Samen zu gelangen. Die invasiven Schildläuse haben allerdings nach ihrer Ankunft zahlreiche Bäume befallen und dadurch geschädigt. Mehr noch: Die Insekten scheiden überschüssige Zucker als Honigtau aus, der die Pflanzen überzieht und einen schwarzen Schimmelpilz begünstigt. Dieser schwächt die Gewächse so stark, dass sie direkt absterben oder Stürmen keinen Widerstand mehr leisten können.

Im Jahr 2019 vernichteten zwei starke Stürme 80 Prozent des Baumbestandes von Nightingale und damit auch die Nahrungsgrundlage des ohnehin bedrohten Singvogels. Verschiedene Behörden und Organisationen entwickelten daher ein Programm, um das Aussterben der Ammertangaren zu verhindern. Neben einer Wiederaufforstung zielt der Plan auch darauf ab, die Schildläuse zu bekämpfen. An Stelle von Gift geschah dies mit einer parasitären Wespenart namens Microterys nietneri, die die Schildläuse nutzt, um ihre eigenen Larven aufzuziehen. Anderen Insekten schadet sie hingegen nicht, wie die beteiligten Wissenschaftler herausfanden.

In einer abenteuerlichen Reise über mehr als 10 000 Kilometer und trotz der 2020 und 2021 noch vorhandenen Einschränkungen durch Covid-Maßnahmen, brachte ein Team die Wespen auf die Insel. Per Flugzeug und Schiff gelangten die Insekten schließlich nach Nightingale. Nur zehn Prozent der Wespen hatten den Trip überlebt. Sie wurden unmittelbar freigelassen; weitere Freisetzungen erfolgten 2022 und 2023 – mit Erfolg: Inzwischen hat sich ein frei lebender Bestand der Wespen etabliert und bekämpft die Schildläuse.

Die Wespen parasitieren massenhaft ihre Opfer und dezimieren deren Zahl bereits beträchtlich. Die ersten Bäume zeigten 2024, dass sie sich erholen können. Gezielte Pflanzungen sorgen ebenfalls dafür, dass sie sich wieder ausbreiten. Dennoch bleibt die Situation für die Dickschnabel-Ammertangaren weiterhin prekär: Schätzungsweise 60 bis 90 Paare stellen den Weltbestand dar. Doch ist die Arbeitsgruppe zuversichtlich, dass auch sie sich zukünftig wieder deutlich vermehren werden.

Die Dickschnabel-Ammertangaren gehören zu einer Gruppe unterschiedlicher Singvögel der Tristan-da-Cunha-Inselgruppe, die sich ähnlich wie die Darwinfinken auf Galapagos aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt und in verschiedene Arten aufgespaltet haben.

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