Artensterben: Menschheit rottete ein Zehntel aller Vogelarten aus
Der Dodo aus Mauritius, die neuseeländischen Moas, dutzende Kleidervogelarten auf den Hawaii-Inseln – und wahrscheinlich hunderte Rallenspezies der pazifischen Archipele: Wann immer Menschen neue Siedlungsgebiete erschlossen, verschwanden ursprüngliche Tier- und Pflanzenarten. Eine neue Studie fasst zusammen, wie stark die Vogelwelt im Speziellen von diesem Artensterben durch uns betroffen war. Sie kommt auf eine überwältigend hohe Zahl. Schätzungsweise 1400 Vogelarten starben laut dem Spätpleistozän während der letzten 130 000 Jahre weltweit aus, nachdem Menschen ihre Verbreitungsgebiete erreicht hatten, berichten Manuel Steinbauer von der Universität Bayreuth und sein Team in »Nature Communications«. Das entspricht mehr als zehn Prozent der gesamten Vogelfauna.
Die Arbeitsgruppe setzte auf statistische Modelle, um die Gesamtzahl zu errechnen. Anhand von historischen Berichten, Beobachtungen, Museumsexemplaren und Fossilien sind 640 ausgestorbene Vogelarten sicher nachgewiesen. 90 Prozent der Verluste entstanden dabei auf Inseln, deren Lebewesen besonders empfindlich für Störungen sind, weil ihre Lebensräume klein sind, sie in geringer Zahl vorkommen und oft keine evolutionären Anpassungen an Fressfeinde oder stärkere Konkurrenz entwickeln konnten. Ausgehend von diesen Daten und der Zahl von Forschungsarbeiten in einem bestimmten Gebiet berechneten Steinbauer und Co dann noch, wie groß die Zahl der noch unentdeckten, ausgestorbenen Arten sein könnte. Denn je weniger Forschung in einer Region durchgeführt wurde, desto unvollständiger ist der Fossilnachweis.
»Auf Grund der Modellergebnisse schätzen wir, dass die tatsächliche Zahl etwas mehr als doppelt so hoch ist«, sagt Steinbauer. Die Zahl der Aussterbeereignisse schwankte demnach über den untersuchten Zeitraum, vollzog sich aber besonders dramatisch zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert, als die globale Seefahrt aufkam und Menschen den pazifischen Raum nach und nach besiedelten. Die Inselwelt der Südsee ist auch einer der Schwerpunkte des Artensterbens, auf den rund 60 Prozent der Verluste entfallen. Betroffen sind aber ebenso andere Inselgruppen wie die Kanarischen Inseln, die karibischen Inseln, Sankt Helena im Atlantik oder Madagaskar, Mauritius und Réunion im Indischen Ozean. Einen zweiten Schwerpunkt ermittelte die Gruppe für die Zeit um 1000 v.Chr., als Menschen Inseln erreichten, die näher an den Küsten lagen.
Auch wenn die Mehrheit der ausgestorbenen Arten auf Inseln entfällt: Die Kontinente blieben nicht verschont, wie der Karolinasittich und der Elfenbeinspecht in Nordamerika, der Meerblaue Ara in Südamerika oder der Dünnschnabelbrachvogel in Europa zeigen. Insgesamt liegt die Aussterberate über den genannten Zeitraum um das 80-Fache der natürlich zu erwartenden Verluste.
»Der Mensch hat die Vogelpopulationen durch die Zerstörung von Lebensraum, Raubbau und die Einführung von Ratten, Schweinen und Hunden, die die Nester der Vögel plünderten und mit ihnen um Nahrung konkurrierten, rasch zerstört. Wir zeigen, dass viele Arten vor der schriftlichen Aufzeichnung ausgestorben sind und oft keine Spuren hinterlassen haben, also aus der Naturgeschichte getilgt sind«, sagt Studienleiter Rob Cooke vom UK Centre for Ecology & Hydrology. Ein Ende des Aussterbens scheint dabei trotz aller Bemühungen nicht absehbar: Weitere zehn Prozent der noch lebenden Vogelarten gelten als vom Aussterben bedroht, zunehmend auch auf dem Festland.
Die Verluste bedeuten zum einen eine starke Beeinflussung der Evolutionsgeschichte, zum anderen haben sie konkrete Folgen für die Ökosysteme, betont Steinbauer: »Ein Aussterben hat immer auch Auswirkungen auf das ganze Ökosysteme. Viele Arten haben Schlüsselfunktionen, bei Vögeln etwa die Verbreitung von Samen, die Kontrolle von Insektenpopulationen oder die Bestäubung von Pflanzen.«
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