Artenvielfalt: Die Rettung eines Schneckenparadieses
Zu den am stärksten bedrohten Faunenelementen auf Inseln gehören tatsächlich Schnecken: Verglichen mit ihrer Artenzahl weisen sie höhere Aussterberaten als Vögel, Reptilien, Säugetiere oder Insekten auf. Vor allem im Pazifik verschwanden bereits zahlreiche Schnecken seit Ankunft der Menschen. Davon betroffen ist auch die australische Norfolk Island, auf der mindestens 60 endemische Arten nachgewiesen wurden. Viele davon sind allerdings extrem bedroht oder bereits ausgestorben, weshalb ein Team um Isabel Hyman vom Australian Museum Research Institute Sydney die Insel intensiv nach verschollenen Schneckenspezies abgesucht und besonders bedrohte Vertreter in ein Zuchtprogramm überführt hat – mit ersten großen Erfolgen.
Während der Studie entdeckte die Arbeitsgruppe zwei Arten wieder, die bereits als ausgestorben galten, darunter Advena campbellii, die sie dank eines Bewohners von Norfolk Island aufspürten. Wie die verwandte Art Advena suteri hatte sie in einem extrem kleinen Gebiet überlebt, und von beiden konnten weniger als 25 Individuen gezählt werden. Unter den insgesamt 35 erfassten Schneckenarten befanden sich zudem mehrere, die über Jahrzehnte nicht mehr nachgewiesen worden waren, aber offiziell nur als bedroht galten.
Gleichzeitig erfassten Hyman und Co, welchen Bedrohungen die Weichtiere ausgesetzt waren. Wie auf vielen anderen Inseln haben Menschen zahlreiche exotische Tier- und Pflanzenarten auf Norfolk eingeführt, die sich teilweise massenhaft ausgebreitet haben und die einheimische Flora und Fauna verdrängen oder direkt bejagen, darunter drei Rattenarten, Hühner und Ameisen, aber auch parasitäre Plattwürmer, die Schnecken befallen. Ebenfalls freigesetzte Ziegen und Kaninchen fraßen die Mollusken zwar nicht direkt, doch deren pflanzliche Nahrung. In manchen Fällen zerstörten diese Säugetiere die komplette Vegetationsdecke.
Auf Norfolk entpuppten sich neben der Lebensraumzerstörung vor allem Ratten und Hühner als Problem, die gerne die zarten Schnecken aufpickten und fraßen. Um die bedrohten Arten zu retten, ergriffen die Wissenschaftler daher mehrere Sofortmaßnahmen. Von den bis auf wenige Exemplare reduzierten Spezies entnahmen sie einige Vertreter und brachten sie auf das australische Festland in ein Nachzuchtprogramm, das nach einigen anfänglichen Rückschlägen unter anderem im Taronga Zoo in Sydney inzwischen sehr erfolgreich läuft. Auf der Insel selbst reicherte das Team den Lebensraum etwas an und brachte dort beispielsweise Totholz aus, unter das sich die Schnecken zurückziehen und wo sie vor Fressfeinden geschützt sind.
An anderer Stelle errichteten die Forscher sichere Kleinreservate, in die Hühner und Ratten nicht eindringen können, aus denen aber zumindest Jungschnecken kriechen können, während die erwachsenen Tiere zurückgehalten werden. Um die Zahl der invasiven Fressfeinde zu reduzieren, wurden Ratten und Hühner auch gezielt im Umfeld der wichtigsten Lebensräume getötet, wovon andere einheimische Tiere und Pflanzen ebenfalls profitieren. Alle diese Maßnahmen vor Ort sowie feuchteres Wetter in einigen der Studienjahre trugen dazu bei, dass die Zahl der Schnecken inklusive der besonders bedrohten Spezies wieder anstieg und sie ihr Verbreitungsgebiet erweiterten. Aus dem Schneider sind sie damit zwar noch nicht, aber ihre Zukunft sieht wieder besser aus.
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