Ebola: Arzneimitteltests inmitten der Krise
William Pooley ist die bislang letzte Person, der das experimentelle Ebolamedikament ZMapp verabreicht wurde. Der Krankenpfleger aus dem Vereinigten Königreich hatte sich die Krankheit eingefangen, als er Patienten in Sierra Leone behandelte. Doch noch immer fehlt es an einem Nachweis dafür, dass diese oder auch irgendeine andere Behandlungsmethode, die derzeit gegen Ebola entwickelt wird, beim Menschen wirkt. Um das zu ändern, ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diese Woche zu einer groß angelegten Sitzung ein. Auf ihr sollen die aussichtsreichsten experimentellen Medikamente und Impfstoffe gegen Ebola nach Prioritäten geordnet werden. Außerdem wollen die Teilnehmer darüber beraten, wie man klinische Studien im chaotischen Umfeld einer tödlichen Krankheitsepidemie am besten durchführen kann.
Obgleich der Medikamentenhersteller Mapp Biopharmaceutical aus dem kalifornischen San Diego die Arznei ZMapp bislang sieben Menschen verabreicht hat, wurde dies nur für den Einzelfall – als "individueller Heilversuch" – genehmigt. Keines der Medikamente und Impfstoffe gegen Ebola hat bis jetzt die Freigabe von den Aufsichtsbehörden erhalten.
Die erste Phase einer klinischen Studie besteht darin, die Sicherheit des Arzneimittels nachzuweisen. Üblicherweise laufen diese Tests an gesunden Freiwilligen ab und finden in Einrichtungen mit entsprechend hoch entwickelter Infrastruktur statt. Doch eine ungewöhnliche Kombination von Faktoren macht aus dieser Krise eine Ausnahme: Dazu zählen die erheblichen Schwierigkeiten bei der Durchführung notwendiger Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der Krankheit; der daraus entstehende, enorme soziale wie wirtschaftliche Schaden; und die Tatsache, dass das Virus des aktuellen Ausbruchs über 53 Prozent der Infizierten tötet.
WHO sucht nach aussichtsreichsten Kandidaten
Im letzten Monat beschloss ein von der WHO einberufenes Fachgremium einstimmig, dass es ethisch vertretbar sei, während dieses Krankheitsausbruchs nicht genehmigte Medikamente und Impfstoffe einzusetzen – unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig alle Anstrengungen unternommen werden, möglichst gute wissenschaftliche Daten über ihre Sicherheit und Wirksamkeit zu erfassen.
Welches die aussichtsreichsten Kandidaten für klinische Studien sind, soll sich nun in Genf zeigen. Vom 4. bis 5. September werden auf Einladung der WHO insgesamt 150 Ebolaforscher zusammen mit Führungskräften aus der Industrie, Experten auf dem Gebiet klinischer Studien, Ethikern sowie behördlichen Funktionären beraten und eine Prioritätenliste erstellen.
Der Zulassungsprozess von Medikamenten und Impfstoffen ist so zeitaufwändig, dass er sich nur schlecht in die Umstände eines Krankheitsausbruchs einfügt, wo vor allem Schnelligkeit gefragt ist. Trotzdem müsse diese Hürde genommen werden, erklärt Jeremy Farrar, Spezialist für Tropenkrankheiten und Leiter des Wellcome Trust, einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung für Biomedizin mit Sitz in London. "Wir sind nicht in der luxuriösen Lage, Menschen außerhalb einer Epidemie testen zu können."
"Wir sind nicht in der luxuriösen Lage, Menschen außerhalb einer Epidemie testen zu können"Jeremy Farrar
Laut Infektionsforschern sind große und aufwändige Versuche, in denen Behandlungen stichprobenartig auf eine homogene Gruppe von Leuten verteilt werden, im Einsatz vor Ort unpraktisch: Die von Ebola betroffenen Länder haben schwache Gesundheitssysteme, die vom Krankheitsausbruch überwältigt wurden, während zusätzlich das Virus unter dem medizinischen Fachpersonal Opfer fordert.
Erste Tests an kleinen Gruppen
Die nächsten Schritte dürften daher voraussichtlich darin bestehen, die Sicherheit und die Wirksamkeit von Ebolamedikamenten an kleineren Gruppen von Patienten zu untersuchen, denen Wirkstoffe methodisch verabreicht werden, um anschließend die Ergebnisse systematisch zu dokumentieren, meint Daniel Bausch von der Tulane University in New Orleans. Eine hohe Sterblichkeitsrate durch Ebola bedeutet auch, dass ein wirksames Medikament sogar in Versuchen, die nur wenige Dutzend Patienten umfassen, einfach nachzuweisen sein sollte.
Gleichzeitig müssten Mediziner und Klinikärzte die Daten, die sie bei individuellen Heilversuchen erhalten, besser strukturieren, um deren wissenschaftlichen Wert zu steigern, meint Bausch, der selbst einer der weltweit führenden Experten zur Bekämpfung von Ebolaausbrüchen ist und sich um Patienten in Sierra Leone kümmert.
Um aus den vielen kleinen Tests und Heilversuchen möglichst nützliche Ergebnisse zu extrahieren, sei es entscheidend, alle Daten zu sammeln und zu kombinieren, erklärt Farrar – etwa durch ein zentrales Koordinationsorgan wie die WHO. Eine Voraussetzung dafür sei es allerdings, dass alle beteiligten Forschungsorganisationen, Wohltätigkeitsverbände und Arzneimittelhersteller einer Vereinheitlichung ihrer Datenerfassung zustimmen, was beispielsweise die Messung der Virenlast im Blut oder die Zeitdauer der Infektion angeht. "Angenommen, fünf Eingriffe werden in den nächsten drei Monaten ausprobiert", sagt Farrar. "Wenn dabei jeder seine eigenen, nicht vergleichbaren Daten sammelt, stehen wir am Ende wahrscheinlich ohne aussagekräftige Informationen da."
Schmale Datenlage könnte ausreichen
Ein koordinierter Ansatz könnte Ergebnisse liefern, deren Qualität zwar immer noch nicht an den Goldstandard medizinischer Tests, die randomisierten klinischen Studien, heranreicht, aber immerhin für Entscheidungen über eventuelle Behandlungsmethoden genügen dürfte, meint Farrar. Ergebnisse miteinander zu teilen, könnte zudem einen iterativen Vorgang ermöglichen, bei dem unwirksame Produkte verworfen, wirksame hingegen umfangreicheren Tests unterzogen werden.
"Wenn man nur zwei Pfleger und einen Doktor hat, ist das Ausfüllen von Formularen für 300 Patienten einfach nicht realistisch"Daniel Bausch
Doch selbst die Umsetzung von Tests in kleinerem Maßstab wird nur in den besten Behandlungszentren möglich sein, da die geforderte Logistik andernorts jegliche klinische Studie beinahe unmöglich macht, betont Bausch. "Es ist unrealistisch anzunehmen, dass es in Liberia momentan auch nur irgendeine Form von Infrastruktur gibt; dort kämpft man darum, genügend Betten für die Ebolapatienten aufzutreiben", meint er. Selbst einfache Angelegenheiten wie das Aufzeichnen von Versuchsdaten erwiesen sich in einer Ausbruchssituation als schwierig, fügt er hinzu. "Wenn man nur zwei Pfleger und einen Doktor hat, ist das Ausfüllen von Formularen für 300 Patienten einfach nicht realistisch."
Unbedenklichkeitsuntersuchung von Impfstoffen geplant
Die WHO-Versammlung wird auch über Impfstoffe beraten. Da diese darauf ausgelegt sind, Menschen vor der Infektion mit dem Virus zu schützen, ist die ethische Ausgangslage für Impftests eine andere.
Am 28. August kündigte Anthony Faucy, Direktor des amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), an, dass die Behörde mit Impfstoffherstellern und einer internationalen Forschergemeinschaft einschließlich des Wellcome Trust zusammenarbeitet, um eine Phase-I-Sicherheitsstudie von zwei Vakzine-Kandidaten durchzuführen. Bevor sie in Ausbruchsgebieten getestet oder eingeführt werden, sollen sie zunächst an gesunden Freiwilligen in den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, in Gambia und Mali getestet werden. Alle diese Staaten weisen eine gute Infrastruktur für klinische Prüfungen auf.
Es sei eine große Herausforderung, meint Bausch, eines der Produkte noch rechtzeitig fertig zu stellen, damit es den Medizinern bei der Bekämpfung des aktuellen Ausbruchs helfen kann. Doch die Investition könnte sich bei zukünftigen Ebolaausbrüchen auszahlen.
Robert Fowler, ein Intensivmediziner der kanadischen University of Toronto, der in Guinea und Sierra Leone mit der WHO zusammengearbeitet hat, hält die Medikamenten- und Impfstofftests auch für richtig. Darüber sollten jedoch Verbesserungen in der ärztlichen Grundversorgung nicht vergessen werden: Fowler bereitet zurzeit die Veröffentlichung von Ergebnissen vor, denen zufolge eine intravenöse Rehydrierung zur Wiederherstellung des Elektrolytgleichgewichts die Sterblichkeitsraten in hohem Maß verringern kann. Eine derart unterstützende Versorgung gäbe es zwar in nur wenigen Behandlungszentren in der Region – sie könne jedoch dabei helfen, die Anzahl der Sterbefälle jetzt sofort zu senken, meint er.
Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Ebola drug trials set to begin amidst drug crisis" in Nature 513, S. 13, 2014
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