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Auszeichnung: Astrophysiker erhalten Kavli-Preis

Die Norwegische Akademie der Wissenschaften verleiht den Kavli-Preis für Astrophysik 2010 an Jerry E. Nelson (University of California, Santa Cruz, und Lick Observatory), Raymond N. Wilson (ESO, Garching) und James Roger P. Angel (Steward Observatory, University of Arizona) für ihre "Beiträge zur Entwicklung von Großteleskopen".
Die Medaille des Kavli-Preises
Größe ist in der Astronomie ein wichtiges Kriterium. Denn je größer die lichtsammelnde Fläche eines Teleskops, desto mehr Licht gelangt auf die Messinstrumente und desto besser ist das Auflösungsvermögen.

Mehr als zwei Jahrzehnte lang hielt der Fünf-Meter-Spiegel auf dem Mount Palomar den Größenrekord für Teleskope. Noch größere Einzelspiegel, so schien es, wären viel zu schwer, um sinnvoll eingesetzt werden zu können. Die Probleme, die sich mit herkömmlicher Spiegeltechnik ergaben, zeigten sich denn auch, als im Kaukasus 1975 ein Sechs-Meter-Spiegelteleskop in Betrieb ging: Wegen der großen Masse von 42 Tonnen gelingt es kaum, den massiven Spiegel während des nächtlichen Beobachtens gleichmäßig an die Umgebungstemperatur anzupassen, zudem verformt sich die Spiegeloberfläche bei Drehungen des Teleskops unter dem hohen Eigengewicht der Glasmasse.

Mehreren Innovationen ist es zu verdanken, dass die beobachtende Astronomie heute dennoch über mehrere Teleskope der Acht- und sogar Zehn-Meter-Klasse verfügt. Die drei nun ausgezeichneten Preisträger haben unabhängig voneinander in den 1970er und 1980er Jahren die Voraussetzungen dafür geschaffen.

Jerry E. Nelson | Jerry E. Nelson erhält gemeinsam mit Raymond N. Wilson und James Roger P. Angel den Kavli-Preis für Astrophysik 2010.
Jerry E. Nelson ging einen auf den ersten Blick ungewöhnlichen Weg: War bis dahin im Teleskopbau die reflektierende Fläche des Hauptspiegels aus einem Einzelstück gefertigt, zerlegte Nelson sie in mehrere Segmente. Diese lassen sich viel dünner gestalten bei trotzdem hoher Steifigkeit. Gegenüber einem Einzelspiegel vergleichbarer Größe reduziert sich die Gesamtmasse eines segmentierten Hauptspiegels dann auf etwa ein Zwanzigstel.

Um die einzelnen Segmente zu einem optisch hochwertigen Spiegel zusammensetzen zu können, gilt es freilich mehrere Schwierigkeiten zu meistern. Zunächst muss jedes Segment in einer individuellen Form geschliffen werden, da jedes einen kleinen Ausschnitt aus einem großen Paraboloid darstellt. Ferner müssen die Segmente sauber justiert und während des Teleskopbetriebs genau gesteuert werden. Nelson und seinen Mitarbeitern gelang es, die hierzu technischen Voraussetzungen zu entwickeln. Dank dieser Technik konnte 1992 das erste 10-Meter-Teleskop der Welt in Betrieb gehen, das Teleskop Keck I auf dem Mauna Kea auf Hawaii. Segmentierte Spiegel sind seitdem in weiteren Großteleskopen im Einsatz, so zum Beispiel beim Gran Telescopio Canarias (10,4 Meter) auf La Palma. Auch das in Bau befindliche James Webb Space Telescope wird einen segmentierten Spiegel mit einem Durchmesser von 6,5 Metern haben.

Raymond N. Wilson | Raymond N. Wilson erhält gemeinsam mit Jerry E. Nelson und James Roger P. Angel den Kavli-Preis für Astrophysik 2010.
Ray Wilson führte ein Verfahren namens aktiver Optik ein, mit dessen Hilfe sich sehr dünne und somit leichte Hauptspiegel in Teleskopen einsetzen lassen. Dünne Spiegel sind allerdings nicht sonderlich steif, wodurch sie sich bei den Bewegungen des Teleskops verbiegen würden. Diese Flexibilität ist allerdings kein Nachteil, sondern gewissermaßen eine Voraussetzung für eine aktive Steuerung: Durch computergesteuerte mechanische Stellglieder, so genannte Aktoren, wird die Form des Spiegels von der Rückseite her mehrmals pro Sekunde nachgeregelt, so dass stets die optimale Form der reflektierenden Fläche gewährleistet ist. Erstmals setzte die Europäische Südsternwarte ESO diese Technik im New Technology Telescope ein, dessen Spiegel 3,6 Meter Durchmesser hat, aber nur 24 Zentimeter dick ist. Nach erfolgreichem Test dieser Technologie baute die ESO die vier Telescope des Very Large Telescope, deren Spiegel jeweils 8,2 Meter Durchmesser haben. Andere Observatorien setzten ebenfalls die aktive Optik ein. So verfügen beispielsweise die beiden Gemini-Teleskope (jeweils 8,1 Meter Durchmesser) und das Subaru-Teleskop (8,2 Meter) über diese Technik.

James Roger P. Angel | James Roger P. Angel erhält gemeinsam mit Raymond N. Wilson und Jerry E. Nelson den Kavli-Preis für Astrophysik 2010.
Roger Angel ersann das Spin-Cast-Verfahren. Hierbei wird ein großer Einzelspiegel in einem rotierenden Ofen gegossen. Durch die Zentrifugalkräfte nimmt die Glasschmelze eine Paraboloidform an, die der Sollform des fertigen Spiegelträgers schon sehr nahe kommt. Dadurch lassen sich insbesondere große Spiegel mit kleinem Öffnungsverhältnis (also starker Krümmung) mit vergleichsweise wenig Materialeinsatz herstellen. Zur weiteren Gewichtseinsparung werden in die Rückseite des Spiegelträgers bienenwabenförmige Löcher gefräst. Die dabei übrig bleibenden Stege in der Bienenwabenstruktur erhöhen die Steifigkeit des Trägers. Spiegel, die mit diesem Verfahren hergestellt wurden, befinden sich beispielsweise im Large Binocular Telescope (zwei Spiegel á 8,4 Meter Durchmesser) und in den beiden Magellan-Teleskopen (jeweils 6,5 Meter Durchmesser).

Mit ihren Innovationen legten die drei Preisträger den technologischen Grundstein für die außergewöhnlichen Entdeckungen, die in den letzten Jahrzehnten mit Großteleskopen gelangen. Dass diese bemerkenswerte Entwicklung noch nicht zu Ende ist, zeigen die Planungen für noch größere Teleskope: Bis zum Jahr 2018 werden auf dem Mauna Kea auf Hawaii ein 30-Meter- und auf dem Cerro Armazones in Chile ein 42-Meter-Teleskop entstehen.

Der Kavli-Preis für Astrophysik wird am 7. September 2010 in Oslo verliehen. Die drei Preisträger teilen sich ein Preisgeld von einer Million US-Dollar. Benannt ist der Preis nach dem Physiker und Unternehmer Fred Kavli, einem gebürtigen Norweger, der sein Vermögen nach dem Rückzug aus dem aktiven Geschäftsleben in die Kavli-Stiftung einbrachte. Der Kavli-Preis wurde 2008 erstmals vergeben und wird seitdem alle zwei Jahre für die Fachgebiete Astrophysik, Nanowissenschaften und Neurowissenschaften verliehen.

Uwe Reichert

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