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Atmosphärischer Fluss: »Lebensbedrohliche Sturzfluten« in Australien

Im Osten Australiens sind mindestens acht Menschen in Regenfluten umgekommen. Ein atmosphärischer Fluss schleust offenbar gewaltige Wassermassen auf den Kontinent.
Rettung per Boot in Lismore

Nach tagelangen sintflutartigen Regenfällen kämpfen die Menschen im Osten Australiens gegen Fluten von katastrophalen Ausmaßen. Hunderte Menschen im Bundesstaat New South Wales harrten am Montagabend (Ortszeit) noch auf den Dächern ihrer Häuser aus und warteten auf Hilfe, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Besonders rund um die Stadt Lismore waren die Pegel zuvor extrem schnell gestiegen.

Mehr als 15 000 Menschen in der Region wurden bereits vor den Überflutungen in Sicherheit gebracht. »So etwas haben wir hier in der Gegend noch nie gesehen«, sagte Lismores Bürgermeister Steve Krieg der australischen Nachrichtenagentur AAP. In der Stadt waren binnen 24 Stunden rund 400 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen.

Medien zufolge spielten sich verzweifelte Szenen ab. Zahlreiche Rettungskräfte versuchten, die Menschen vor Einbruch der Dunkelheit von den Dächern mit Booten in Sicherheit zu bringen. Einige Anwohner hätten Löcher in ihre Dächer geschlagen – der einzige Fluchtweg, als ihre Häuser mit Wasser vollliefen. Teilweise stehe das Wasser bis zur Decke.

Meteorologen sagten für die nächsten Tage weitere Regenfälle voraus. Auch in Australiens größter Stadt Sydney war es zuletzt zu Überschwemmungen gekommen – Experten zufolge war es der regenreichste Sommer in der Metropole seit 30 Jahren.

Der Regen eines Jahres in ein paar Tagen

Im angrenzenden Bundesstaat Queensland, wo mancherorts pro Quadratmeter mehr als 700 Liter Regen in 24 Stunden gefallen war, stieg die Zahl der Todesopfer derweil auf acht. Drei Menschen werden Polizeiangaben zufolge noch vermisst. Besonders schlimm betroffen waren hier die Metropole Brisbane und die Städte Gympie und Maryborough sowie Gebiete entlang der Sunshine Coast. In einigen Gegenden hat es innerhalb von wenigen Tagen so viel geregnet wie sonst in einem ganzen Jahr.

Grund für die Extremwetterlage ist nach Expertenangaben ein so genannter atmosphärischer Fluss, der auf eine Landschaft trifft, die sich wegen des pazifischen Wetterphänomens La Niña ohnehin bereits wie ein Schwamm vollgesogen habe. Das erläutern etwa Kimberley Reid und Andrew King von der University of Melbourne in einem Beitrag für das Magazin »The Conversation«.

Atmosphärische Flüsse verlaufen in 1000 bis 3000 Meter Höhe und wirken wie Wasserdampfautobahnen, die Feuchtigkeit von den Tropen polwärts schleusen. Obwohl sie nur etwa zehn Prozent der Erdoberfläche bedecken, enthalten sie 90 Prozent des Wasserdampfs, der südwärts wandert. In den meisten Fällen sind die eher harmlos oder sogar nützlich, erläutern Reid und King: Ohne das Wasser der atmosphärischen Flüsse würde in landwirtschaftlich wichtigen Gegenden Australiens wie dem Murray-Darling-Becken Trockenheit herrschen.

Doch wenn atmosphärische Flüsse auf Gebirgsketten treffen oder mit Kaltfronten zusammenstoßen, regnen sie das gespeicherte Wasser unvermittelt und schnell ab. Dabei könne es auch zu heftigen Gewittern kommen.

Atmosphärischer Fluss vor Kalifornien (Archivbild) | Das Satellitenbild zeigt einen atmosphärischen Fluss, der Feuchtigkeit an die kalifornische Küste liefert. Im Januar 2021 erlebte die US-Westküste auf Grund eines solchen Wetterphänomens Rekordregenfälle und Blizzards, die einen Erdrutsch zur Folge hatten.

Warme Luft hält noch mehr Wasser

Australien erlebt nun schon den zweiten La-Niña-Sommer in Folge. Das Wetterphänomen ist das Gegenstück zu El Niño; es bewirkt, dass sich vor der australischen Pazifikküste das Wasser erwärmt, was zu einem Aufstieg von Feuchtigkeit führt, die dann landeinwärts zieht und abregnet. Infolgedessen waren die Grundwasserspeicher bereits gut gefüllt, als der atmosphärische Fluss seine feuchte Fracht über das Land ergoss.

Der Klimawandel hat ein solches Aufeinandertreffen – und damit die katastrophalen Fluten – wohl um einiges wahrscheinlicher gemacht, rechnen die Fachleute der University of Melbourne am Beispiel einer ähnlichen Flut um Sydney aus dem vergangenen März vor. Damals war ein atmosphärischer Fluss über die Stadt an der Ostküste gezogen, der rund 800 Liter Wasser pro Sekunde transportierte.

Auch der Weltklimarat kam in Teil 1 seines aktuellen Sachstandsberichts zu diesem Ergebnis. Bei jedem zusätzlichen Grad, um das die Temperatur der Atmosphäre ansteigt, könne die Luft etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen, erläutert die Klimaforscherin Nina Ridder vom Climate Change Research Centre der University of New South Wales dem australischen »Science Media Centre«. Entsprechend mehr Regen könne fallen und entsprechend häufiger würden auch Extremwetterereignisse. »In den letzten Jahrzehnten haben wir bereits eine Zunahme der Anzahl und Intensität extremer Niederschlagsereignisse erlebt, und wir erwarten, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen wird«, sagt Ridder.

Update 01.03.: In einer früheren Fassung dieses Artikels war die Regenmenge fälschlicherweise in »Milliliter« angegeben. Es handelt sich bei den Mengenangaben jedoch um Liter (pro Quadratmeter) oder Millimeter. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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