Geschlechterforschung: Attraktive Rollenverteilung?
Schönheit ist ein gutes Geschäft, und ließe sie sich mathematisch beschreiben - umso besser. Es mangelt daher nicht an Indizes jeglicher Aussagekraft bis hin zum evolutionsbiologischen Modell für Frauen- und Männer-Idealkörper. Was aber machen wir angesichts ebenso vieler Widersprüche?
Wow. Schmale Hüften, breite Schultern, ein markantes Gesicht – ein Bild von einem Mann. Oder hier, auf der nächsten Seite im Versandhauskatalog: Graziöse Haltung, schlanke Taille, etwas breitere Hüften – ganz die Traumfrau. Oder nicht?
Lassen wir andere Kulturen mit anderen Sitten und anderen Idealvorstellungen mal beiseite, bei uns Westlern gelten Frauen mit Sanduhrfigur als attraktiver denn ihre Geschlechtsgenossinnen mit eher röhrenförmiger Gestalt. Beim Manne natürlich umgekehrt. Das allseits beliebte und wohl in jeder wissenschaftlichen Studie auftauchende Maß hierfür ist der Taillen-Hüften-Index oder auch Waist-to-hip-ratio (WHR): Er verknüpft die beiden Umfangswerte und erlaubt ein direktes Urteil über die Attraktivität der Betrachteten.
Fruchtbarkeitszeichen
Schnell fand sich damit auch die Basis für die evolutionsbiologische Erklärung, wonach breite Hüften bei schmaler Taille auf eine gute Fruchtbarkeit des Weibchens hinweisen – und Nachwuchsproduktion mit Weitergabe eigener Gene ist schließlich das Einzige, was Männchen, auch des Menschen, interessiert. Die Vorliebe sei daher reine Adaption.
Schönes Modell – nur mehrten sich die Widersprüche. Nicht nur, dass in anderen Ländern mit anderen Sitten das westliche Ideal keineswegs als solches eingestuft wird, im Gegenteil: In "geografisch abgelegenen Regionen", so nennen es Kerri Johnson von der Universität New York und Louis Tassinary von der Texas-A&M-Universität, hatten Frauen mit größeren WHR – also vor allem umfangreicheren Taillen – die Beliebtheitsnase vorn. Und dann waren da noch so verschiedene methodische und theoretische Mängel in den bisherigen Studien, die die beiden Wissenschaftler zu dem Schluss brachten: Das Konzept an sich ist krumm.
In fünf Experimenten setzten die beiden Forscher ihren Teilnehmern nun Computeranimationen sowie statische und bewegte Strichzeichnungen von Körpern vor. Nur in Einzelfällen wurde den Freiwilligen das Geschlecht des Modells vorher verraten, meist mussten sie es selbst "erkennen" – am bekannten WHR sowie respektive oder an Bewegungsmustern. Hierbei sollte ein ausgeprägter Hüftschwung Frauen symbolisieren, während Männer durch deutliche Schulterbewegungen charakterisiert wurden. Leicht machten es die Wissenschaftler den Probanden nicht: Haare fehlten, die Brust blieb flach, und mit Hilfe der Animationen kreierten sie zwar keineswegs unrealistische, aber doch dem normalen Geschlechterbild weniger entsprechende Zwischentypen wie hüftschwingende Männergestalten und männlich einher stapfende Frauenfiguren.
Typisch attraktiv
Die Geschlechtszuordnung entsprach, kaum überraschend, dem gängigen Bild unserer Gesellschaft – Laufsteggang oder kurvenreiche Figur gleich Frau, oben schwankende oder Röhrengestalt gleich Mann. Dann sollten die Teilnehmer im nächsten Schritt bewerten, wie weiblich oder männlich sie die vorgesetzten Modelle fanden – und wie attraktiv. Die Urteile fielen klar aus: Besonders weiblich wirkende Frauen und maskulin erscheinende Männer bekamen die besten Attraktivitäts-Noten.
Und was bedeutet das nun? Ganz einfach: Wir haben bei der Schönheitsbewertung eine geschlechtsspezifische Brille auf – logisch –, deren Gläser getönt sind von den Erwartungen, die wir, wohl geprägt von unserem gesellschaftlichen Hintergrund, an Mann und Frau stellen. Der WHR verliert damit seine Anwartschaft auf den universellen Attraktivitätsindikator – in Kulturen, in denen Frauen beispielsweise dafür geschätzt werden, dass sie harte körperliche Arbeit leisten können, sieht ein Schönheitsideal nun einmal nicht wie das Modepüppchen im Katalog aus.
Auch die Adaptionshypothese gerät ins Wanken, hing die Anziehungsnote doch enger damit zusammen, wie weiblich die Probanden eine Figur fanden als damit, welche Fruchtbarkeit sie ihr zutrauten. Ginge es nur um die Nachkommenschaft, hätten Männer hier eine deutlichere Präferenz zeigen müssen, so die Forscher.
Attraktiv sei also, wer am ehesten dem Bild von Frau oder Mann entspricht, das die umgebende Gesellschaft hegt – wobei diese Erwartung, um den Versandhauskatalog nicht zu vergessen, natürlich auch aktuell ständig überprägt wird und sich verändert. Der WHR darf nun kulturenspezifisch und zeithistorisch überarbeitet werden – welch reichhaltiges neues Forschungsfeld. Und wir warten auf den nächsten Index, der uns dann jeweils die Abweichung vom Selbst zum Ideal angibt. Oder scheren uns nicht länger darum.
Lassen wir andere Kulturen mit anderen Sitten und anderen Idealvorstellungen mal beiseite, bei uns Westlern gelten Frauen mit Sanduhrfigur als attraktiver denn ihre Geschlechtsgenossinnen mit eher röhrenförmiger Gestalt. Beim Manne natürlich umgekehrt. Das allseits beliebte und wohl in jeder wissenschaftlichen Studie auftauchende Maß hierfür ist der Taillen-Hüften-Index oder auch Waist-to-hip-ratio (WHR): Er verknüpft die beiden Umfangswerte und erlaubt ein direktes Urteil über die Attraktivität der Betrachteten.
Fruchtbarkeitszeichen
Schnell fand sich damit auch die Basis für die evolutionsbiologische Erklärung, wonach breite Hüften bei schmaler Taille auf eine gute Fruchtbarkeit des Weibchens hinweisen – und Nachwuchsproduktion mit Weitergabe eigener Gene ist schließlich das Einzige, was Männchen, auch des Menschen, interessiert. Die Vorliebe sei daher reine Adaption.
Schönes Modell – nur mehrten sich die Widersprüche. Nicht nur, dass in anderen Ländern mit anderen Sitten das westliche Ideal keineswegs als solches eingestuft wird, im Gegenteil: In "geografisch abgelegenen Regionen", so nennen es Kerri Johnson von der Universität New York und Louis Tassinary von der Texas-A&M-Universität, hatten Frauen mit größeren WHR – also vor allem umfangreicheren Taillen – die Beliebtheitsnase vorn. Und dann waren da noch so verschiedene methodische und theoretische Mängel in den bisherigen Studien, die die beiden Wissenschaftler zu dem Schluss brachten: Das Konzept an sich ist krumm.
In fünf Experimenten setzten die beiden Forscher ihren Teilnehmern nun Computeranimationen sowie statische und bewegte Strichzeichnungen von Körpern vor. Nur in Einzelfällen wurde den Freiwilligen das Geschlecht des Modells vorher verraten, meist mussten sie es selbst "erkennen" – am bekannten WHR sowie respektive oder an Bewegungsmustern. Hierbei sollte ein ausgeprägter Hüftschwung Frauen symbolisieren, während Männer durch deutliche Schulterbewegungen charakterisiert wurden. Leicht machten es die Wissenschaftler den Probanden nicht: Haare fehlten, die Brust blieb flach, und mit Hilfe der Animationen kreierten sie zwar keineswegs unrealistische, aber doch dem normalen Geschlechterbild weniger entsprechende Zwischentypen wie hüftschwingende Männergestalten und männlich einher stapfende Frauenfiguren.
Typisch attraktiv
Die Geschlechtszuordnung entsprach, kaum überraschend, dem gängigen Bild unserer Gesellschaft – Laufsteggang oder kurvenreiche Figur gleich Frau, oben schwankende oder Röhrengestalt gleich Mann. Dann sollten die Teilnehmer im nächsten Schritt bewerten, wie weiblich oder männlich sie die vorgesetzten Modelle fanden – und wie attraktiv. Die Urteile fielen klar aus: Besonders weiblich wirkende Frauen und maskulin erscheinende Männer bekamen die besten Attraktivitäts-Noten.
Und was bedeutet das nun? Ganz einfach: Wir haben bei der Schönheitsbewertung eine geschlechtsspezifische Brille auf – logisch –, deren Gläser getönt sind von den Erwartungen, die wir, wohl geprägt von unserem gesellschaftlichen Hintergrund, an Mann und Frau stellen. Der WHR verliert damit seine Anwartschaft auf den universellen Attraktivitätsindikator – in Kulturen, in denen Frauen beispielsweise dafür geschätzt werden, dass sie harte körperliche Arbeit leisten können, sieht ein Schönheitsideal nun einmal nicht wie das Modepüppchen im Katalog aus.
Auch die Adaptionshypothese gerät ins Wanken, hing die Anziehungsnote doch enger damit zusammen, wie weiblich die Probanden eine Figur fanden als damit, welche Fruchtbarkeit sie ihr zutrauten. Ginge es nur um die Nachkommenschaft, hätten Männer hier eine deutlichere Präferenz zeigen müssen, so die Forscher.
Attraktiv sei also, wer am ehesten dem Bild von Frau oder Mann entspricht, das die umgebende Gesellschaft hegt – wobei diese Erwartung, um den Versandhauskatalog nicht zu vergessen, natürlich auch aktuell ständig überprägt wird und sich verändert. Der WHR darf nun kulturenspezifisch und zeithistorisch überarbeitet werden – welch reichhaltiges neues Forschungsfeld. Und wir warten auf den nächsten Index, der uns dann jeweils die Abweichung vom Selbst zum Ideal angibt. Oder scheren uns nicht länger darum.
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