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Nichtnewtonsche Fluide: Auch Brei ist begehbar - mit Tempo

Bowlingkugel auf nichtnewtonschem Fluid

Läuft man nur schnell genug über ein Becken gefüllt mit einer klebrigen Masse aus Wasser und Maisstärke, schafft man es tatsächlich trockenen Fußes auf die gegenüberliegende Seite. Lange haben Forscher über die genauen Ursachen für dieses Phänomen spekuliert, nun kommen Scott Waitukaitis und Heinrich Jaeger von der University of Chicago im US-Bundesstaat Illinois immerhin zu dem Schluss, dass alle bisherigen Erklärungsansätze nicht stimmen können.

Die beiden Forscher ließen eine rund 400 Gramm schwere Aluminiumstange immer wieder auf ein Gemisch aus Maismehl und Wasser stürzen. Wie erwartet, drang die Stange nicht in die zähe Masse ein. Dabei variierten sie nicht nur die Tiefe des Behälters, sondern auch die Zusammensetzung des Stärkebreis. Mit Hochgeschwindigkeitskameras, Röntgenaufnahmen und Kräftesensoren verfolgten sie jedes Mal das Geschehen. Demnach breitet sich unterhalb des Auftreffpunkts schnell eine Art Schockfront zum Boden hin aus und lässt hinter sich eine verhärtete Region zurück.

Aluminiumstange trifft auf nichtnewtonsches Fluid | Ein Aluminiumstange kurz vor (links) und kurz nach dem Aufprall auf die Oberfläche einer Suspension aus Maismehl und Wasser. Da sich das Fluid unterhalb des Auftreffpunkts verhärtet, kann die Stange nicht in die Suspension eindringen (rechts).

Die Beobachtungen ließen sich den Wissenschaftlern zufolge mit einem Effekt erklären, der auch von granularen Medien bekannt ist. Ist die Partikelkonzentration hierin hoch genug, verhalten sich die dicht gepackten Teilchen wie ein Festkörper - so sinkt man beispielsweise am Strand nicht in den Sand ein. Ähnliches passiere in der Suspension: Die Druckwirkung des auftreffenden Stabs pfercht die Speisestärkepartikel dicht zusammen und lässt sie so wie einen Feststoff wirken. Die Röntgenaufnahmen belegen, dass sich unterhalb des Aufprallpunkts rasch ein starrer Kern bildet, der sich gemeinsam mit dem umgebenden Material nach unten bewegt. Sowohl der feste Kern als auch die benachbarte Materie setzten der Stange eine ausreichend große Kraft entgegen, um sie vor dem Untergang zu bewahren. Genauso sollten sich bei jedem – schnellen – Schritt stabile Säulen unterhalb eines Läufers formen, die ihn tragen. Hält dieser jedoch an, schmelzen die Stützen förmlich dahin und lassen ihn den Boden unter den Füßen verlieren.

Im Gegensatz dazu seien bei allen bisher vorgeschlagenen Mechanismen die erreichbaren Kräfte viel zu klein, um die Beobachtungen zu erklären, meinen Waitukaitis und Jaeger. Diese bezogen sich vor allem auf die Eigenschaft solcher so genannten nichtnewtonschen Fluide, bei hohen Scherkräften ihre Viskosität zu ändern. Doch ein Läufer würde die Masse unter sich eher verdichten als eine Scherbelastung darauf ausüben, argumentieren die Autoren. Schließlich weisen auch ihre Experimente darauf hin, dass dem plötzlichen, lokalen Anstieg der Partikeldichte – verursacht durch den Aufprall und die resultierende Kompression – eine zentrale Rolle bei dem Phänomen zukommt.

In ihren Versuchen konnten Waitukaitis und Jaeger frühere Ansätze sogar ausschließen. So können hydrodynamische Wechselwirkungen, unter denen Partikel verklumpen und das Fluid so verdicken, nicht die Ursache zu sein. Denn dieser Mechanismus sollte empfindlich von der Konzentration an Maisstärke abhängen, was sich nicht beobachten ließ. Bei anderen Ansätzen hängen die Effekte dagegen von den Grenzflächen ab, die den Stärkebrei einfassen. Doch oft erreiche die Verhärtung nicht einmal den Boden. Ihr Mechanismus, betonen die Autoren, hänge dagegen nicht von solchen Grenzflächen ab.

Auch Blut, Ketschup oder Zahnpasta gehören zu den nichtnewtonschen Flüssigkeiten. Herauszufinden, warum sich diese Fluide urplötzlich verdicken oder aber verdünnen, ist deshalb auch für andere Bereiche von großem Interesse.

© Steve Spangler Science
Über Maisstärkebrei laufen
  • Quellen
Nature 487, S. 205–209, 2012

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